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Ausbruch der Freude nach besiegelter Liebe: Alexandra Henkel und Dietmar König (re.). Doch die bösen Geister (Daniel Jesch und Marcus Kiepe, liegend) lauern schon.

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Eine hölzerne Lösung, die zusehends betulich wirkte.

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Wien - Wenn es Angsthasen mit der Liebe versuchen, dann stellt sich beim Betrachter rasch Mitleid ein. Insofern ist Sibylle Bergs Beziehungsanfangs-Komödie Nur Nachts ein Idealfall fürs Theater. Dieses hat ja an seinen kathartischen Fähigkeiten jüngst wieder Gefallen gefunden.

In Nur Nachts kämpfen zwei Durchschnittsmenschen jenseits der vierzig mit den Plagegeistern einer eventuell gemeinsamen Zukunft. Will sie mich denn überhaupt? Sollen wir uns noch fortpflanzen? Werden wir es zu zweit bis zum Altersheim schaffen? Und so weiter.

In Niklaus Helblings Uraufführungsinszenierung am Akademietheater drängen sich die von Sibylle Berg mit reichlich Sarkasmus ausgestatteten bösen Geister in Telefongespräche und Träume des angehenden Paares. In ätzend gelben Werksoveralls (Kostüme: Victoria Behr) und mit von übergezogenen Strümpfen deformierter Mimik machen diese Miesepeter (giftig wie goldig: Sarah Viktoria Frick und Daniel Jesch) noch schlimmer, was ohnehin schon schlimm genug ist:

Peter und Petra, so mittelmäßig wie ihre Namen (pardon!), tragen die Misserfolge ihres bisherigen Lebens ins Gesicht geschrieben und erkennen "das eigene Elend im anderen". Die Geschichte ist deprimierend grundiert, und sie wird in dieser Eigenschaft von hässlichen Kulissen sonder Zahl noch unterstützt: Nach einer raschen Gegenüberstellung auf einer dämlichen Stehparty entscheidet man sich füreinander.

Aus dem Märchenfundus

Ein grauer Tresen auf Rädern kommt hereingefahren, an dem der öde Funke alsbald überspringt. Schon die jeweiligen (freilich zu kurzen) Betten des Möchtegern-Paares stehen auf Rädern und geben dieser Liebe von Anfang an einen geradezu geriatrischen Touch.

Wie aber stellt man die in Mitleidenschaft gezogene Gefühlswelt dieser (wohlgemerkt einer Komödie angehörenden) Protagonisten plausibel dar? Helbling überträgt sie auf zeitlos hässliche Kulissenteile aus dem Märchenfundus und signalisiert generell schlechten Geschmack. Einen Geschmack, der das Gegenteil ist von Lebhaftigkeit, Vision und Aufbruch.

Damit gibt er das ganze Liebesunterfangen einer Lächerlichkeit preis und doppelt die Aussage. Dinge, die in den Dialogen ausgedrückt werden, queren dann noch einmal als Requisit oder Kulissenimpression die Bühne. Diese Dopplung nimmt der Entwicklung auf Dauer den Atem: Ein abstraktes Grau in Grau, das der Oberflächenstruktur gefrorenen Wassers gleicht, fasst die seitlichen Bühnenränder ein. Dazu ragt das Antlitz des jeweils gerade Träumenden kopfüber als Projektion vom oberen Bühnenrand herunter. Wozu? Damit auch für die hinteren Reihen klar wird, wer gerade träumt? Das wirkte betulich.

Eine ländliche Idylle - frei nach Caspar David Friedrich - kommt schließlich vom Schnürboden gefahren (Bühne: Dirk Thiele). Sie gibt den letzten Ansporn fürs programmierte Happyend. Doch will man davon in dieser überfrachteten, irritierend abstoßenden Szenerie nichts mehr wissen.

Dazwischen erzeugen aber jene Momente, in denen sich die Figuren vom Reden in den Gesang retten, schöne, gar trotzige Befreiungsschläge. Manchmal hilft Petra (witzig: Alexandra Henkel) schon ein Cowboyhut, um sich woanders hinzuträumen und eine Melodie anzuschlagen, die jeden blöden Geist vertreibt. Und Peter (Dietmar König mit Stopfbauch) rezitiert ein sarkastisches Liebesgedicht und kratzt dabei noch die Kurve.

Plädoyer für Leben zu zweit

Angesichts dieser unvorhergesehenen, schlummernden menschlichen Kraft (eine Lücke, die der Teufel ließ) geben die Geister kleinbei, verfallen dem Alkohol und ihr "Einsatzleiter", ein ekliger Langhans mit fettigem Haar (Marcus Kiepe), muss in das hiermit ganz offen ausgesprochene Plädoyer für ein Leben zu zweit letztendlich einstimmen.

Sibylle Berg, die in ihren Stücken und Romanen (zuletzt Der Mann schläft) die unerfüllten Sehnsüchte einer mittelalten Generation einigermaßen zynisch erdet, hat mit diesem Stück die Verwandtschaft mit den Edelboulevardthemen einer Yasmina Reza angedeutet. Der Unterschied ist freilich, dass Bergs Protagonisten, nach eigenen Aussagen, der "Economy-Class" angehören. Und ihnen ist hier auch eine Economy-Class-Inszenierung widerfahren. Sie leidet an ihrer Grobschlächtigkeit und an ihren technisch mühevollen Erklärungen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 01.03.2010)