Die israelische Polizei ist vorläufig noch dabei, die Vorwürfe gegen Rabbiner Mordechai Elon zu "prüfen". Demnächst wird vermutlich entschieden, ob formale Ermittlungen aufgenommen werden, die zu einer Anklage führen könnten. Aber das national-religiöse Lager im ganzen Land ist aufgewühlt, seit eine seiner beliebtesten und charismatischsten Figuren verdächtigt wird, über längere Zeit hinweg Schüler sexuell belästigt oder zu einer homosexuellen Beziehung verführt zu haben. Beschwerden waren offenbar schon vor vier Jahren aufgetaucht, sollten aber durch eine Art Stillhalteabkommen vertuscht werden.

Der 50-jährige Elon, von seinen Freunden "Motti" gerufen, lebt jetzt relativ zurückgezogen in der Ortschaf Migdal in Nordisrael, nachdem er jene Ämter und Aktivitäten aufgegeben hat, die ihn bekanntgemacht hatten. So war er bis 2007 Leiter der angesehenen Religionshochschule "Jeschivat Hakotel" in der Altstadt von Jerusalem gewesen. Er galt als blendender Pädagoge, lockte zahlreiche Bewunderer verschiedener jüdischer Strömungen zu seinen Bibelvorträgen und hatte eine wöchentliche Fernsehsendung. Zudem entstammt Elon einer einflussreichen Familie: Sein Vater war Höchstrichter, sein Bruder ist ein ehemaliger Minister.

Vorige Woche brach ein Sturm los, als Takana sich zu Wort meldete, ein Forum religiöser Persönlichkeiten, das sexuelle Übergriffe durch religiöse Autoritäten ausmerzen will. Man wolle "die Öffentlichkeit schützen", hieß es, es gebe Beschwerden über "Akte, die heiligen und moralischen Werten widersprechen". Elon sprach von einer "Verleumdung". Doch Takana legte noch nach und lastete ihm auch eine "länger dauernde Beziehung sexueller Natur" mit einem Studenten an. Schon 2006 soll mit Elon diskret vereinbart worden sein, dass er seine Lehrtätigkeit reduzieren und es vermeiden würde, sich allein mit einem anderen Mann in einem Raum aufzuhalten. Laut Takana hat Elon sich aber nicht ausreichend an die Auflagen gehalten. Takana soll sich in den letzten Jahren mit rund 15 Fällen befasst haben, in denen Frauen durch Rabbiner oder religiöse Lehrer belästigt wurden. Es gab disziplinäre Sanktionen, zu einer Strafanzeige ist es offenbar in keinem der Fälle gekommen.

Klosterschulleiter tritt zurück

In Deutschland ist am Freitag Pater Maurus Kraß zurückgetreten, der Leiter der Klosterschule des Benediktinerklosters Ettal bei Garmisch-Partenkirchen. Pater Maurus habe es unterlassen, der Erzdiözese 2003 und 2005 Missbrauchsvorwürfe in seiner Schule zu melden, hieß es aus dem erzbischöflichen Ordinariat in München. Ein Angehöriger des Klosters wird verdächtigt, sich an mehreren Kindern vergangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt.

In den vergangenen Wochen hatten sich in Deutschland mehr als 100 Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche gemeldet. In Österreich soll es 2009 17 untersuchte Fälle gegeben haben. (Ben Segenreich aus Israel/DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.2.2010)