In Österreich, vor allem in Wien, ist die typische Beziehung zwischen Verkäufern und Kunden sadomasochistischer Natur. Jeder Verkäufer liebt es, seine Kunden zu demütigen und vice versa. Hier zwei kleine Match-Berichte mit Vorfällen aus jüngster Zeit.

Match Nummer eins: Postbedienstete gegen Postkunden. Ich warte in einer langen Reihe vor Schalter eins, um einen Brief aufzugeben. Schalter zwei ist geschlossen, aber dahinter schauen zwei Damen interessiert gemeinsam in einen Computerbildschirm und unterhalten sich. Ein Herr aus der Reihe hat es eilig: "Kann man einen zweiten Schalter aufmachen?" Die Dame hinter Schalter zwei, in sehr resolutem Ton: "Na, des gehd jetzt ned, i wea grod am Computer eingschult." Spricht's und würdigt uns keines Blickes mehr. Wir schweigen alle still und warten ganz geknickt weiter, bis wir an die Reihe kommen. So viel auch zum Stand der Zivilcourage in Österreichs Postämtern. Auf jeden Fall aber: Eindeutig eins zu null für die Verkäuferseite.

Match Nummer zwei: Fleischhauer gegen Kunde. Der Kunde (Herr um die fünfzig, Hubertusmantel, genagelte Schuhe) tritt in der Fleischhauerei ums Eck an den Glassturz, deutet auf ein Tablett mit Faschiertem und fragt den Fleischhauer mit bohrendem Blick: "Ist das Faschiertes?" Eine perfide Frage, weil sie den stillschweigenden gesellschaftlichen Konsens unterläuft, dass das, was in Fleischhauereien auf einem Tablett liegt und nach Faschiertem aussieht, in aller Regel Faschiertes ist und nicht etwa ein Coup Dänemark.

Zugleich enthält die Frage einen unüberhörbaren moralischen Vorwurf. Ich, der Kunde, würde Ihnen, dem Fleischhauer, zutrauen, dass Sie mir unter dem Deckmantel eines vermeintlich Faschierten ein gefälschtes Faschiertes andrehen, ein Pseudo-faschiertes gewissermaßen. Daher erkundige ich mich lieber, ob ich es tatsächlich mit Faschiertem zu tun habe.

Das ärgert den Fleischhauer natürlich. Instinktiv tendiert er zu ein paar saftigen Gegenfragen ("Sind Sie schasäugig? Sehen Sie nicht, dass das Faschiertes ist?"). Als typischer Innenstadtfleischhauer aber, der einen Ruf zu verteidigen hat, muss er den Ärger niederkämpfen und brav antworten: "Jawoi, der Herr, das ist Faschiertes." Spielstand: Ein klares eins zu null für den Kunden. Aber: Noch ist nicht aller Tage Abend. Und das nächste Match kommt ganz bestimmt. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.02.2010)