Wien - Der Wiener Gemeinderat hatte heute unter anderem das Aufsehen erregende Kunstprojekt in den Räumlichkeiten der Secession auf der Agenda. Der Schweizer Künstler Christoph Büchel bespielt derzeit das Untergeschoß der Secession mit einem echten Swingerclub. Die Freiheitlichen forderten in einer Fragestunde nun eine Subventionsrückzahlung und brachten eine entsprechende Dringliche Anfrage ein. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hielt mit einem Plädoyer für die Freiheit der Kunst dagegen.

Mailath-Pokorny bezichtigte die FPÖ, als "Werbeagentur für diesen Skandal" zu agieren: "Und angesichts der schnellen Wortwahl wie 'Gang-Bang' muss hier ein einschlägiges Wissen vorhanden sein." Dabei gelte abermals zu betonen: "Dieser Teil der Ausstellung erhält kein öffentliches Geld." Insofern sei eine etwaige Rückforderung logischerweise auch nicht möglich. Man solle in der Debatte eine größere Gelassenheit an den Tag legen, trat Mailath-Pokorny für eine offene, liberale Kulturmetropole ein, zumal Zensur ein Kennzeichen totalitärer Regime sei: "Was Kunst ist, definiert sicher nicht die Politik." Insofern gelte für Wien sicherlich: "Das, was nicht verboten ist in dieser Stadt, ist erlaubt."

FPÖ erregt

FPÖ-Mandatar Gerald Ebinger wies den Vorwurf weit von sich, nur die FPÖ würde sich für den angeblichen Skandal interessieren: "Es sind nicht nur wir, die sabbern wie ein Pawlowscher Hund." Aber wenn Mailath-Pokorny die Swingerclub-Idee für derart lukrativ halte, sollte man doch derartige Sexlokale in mehreren Wiener Kulturinstitutionen einrichten. "Das wäre eine wunderbare Einnahmequelle für ihre kränkelnden Museen", so Ebinger, der dem Kulturstadtrat Präpotenz vorwarf.

Überdies brachten die Freiheitlichen eine Dringliche Anfrage unter dem Titel "Gruppensex in der Secession" auf die Tagesordnung des Gemeinderats. Dort kritisiert die FPÖ die "erotischen Turnübungen" und den Umstand, dass eine ehrwürdige Kunsteinrichtung "in einen Tempel der Lust (inklusive Sadomaso-Kammer)" umgewandelt werde. Das Themenspektrum, mit dem die FPÖ Mailath-Pokorny konfrontiert, reicht dabei von der Frage, ob die gesetzlichen Auflagen kontrolliert werden und Vergnügungssteuer eingehoben wird, bis hin zur Frage, ob der Kulturstadtrat ausschließen könne, dass an der Aktion professionelle Sexarbeiterinnen teilnähmen. "Welche Maßnahmen wurden ergriffen, dass Personen vor Ort nicht mit Geschlechtskrankheiten oder HIV infiziert werden?" und die Frage, ob vor der Vergabe an den Club "Element6" eine Ausschreibung stattfand, runden das Spektrum ab.

Fact-Finding-Mission vorgeschlagen

Der grüne Gemeinderat Marco Schreuder amüsierte sich über die Aufregung im Gemeinderat - zumal genau dies der Künstler beabsichtigt habe: "Ich finde es schön, dass wir hier für mehrere Stunden Teil eines Kunstprojekts sind." Schreuder schlug eine gemeinsame Fact-Finding-Mission der Rathausfraktionen in den Swingerclub vor, um sich vor Ort eingehend zu informieren.

Tagsüber werden jene Besucher der Secession, die sich für das dortige Beethovenfries interessieren, durch die leeren Räumlichkeiten geschickt, in der Nacht läuft im "Element6" Normalbetrieb. Die mediale und politische Erregung ist dabei durchaus intendiert: Büchel spiele damit auf jenen Aufruhr an, den Gustav Klimt einst mit seinem Beethovenfries ausgelöst hatte, erläuterte Secessions-Pressesprecherin Urte Schmitt-Ulms. Die Installierung eines Swingerclubs in den Räumlichkeiten der Secession sei der damaligen Situation ähnlich.

Abseits: Humer und Stenzel

Martin Humer gibt es übrigens auch noch: Der autodidaktische "Pornojäger" und Obmann der "christlich-sozialen Arbeitsgemeinschaft Österreichs" sandte ein offenes Fax an City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel: "Nun ist der Gruppensex eine Kunstform geworden! Und der Rest der Welt lacht über Österreich." Über Jahre hätten Linke die Öffentlichkeit mit Massenpornografie zugedeckt und die ÖVP "scheinheilig die Augen verdreht und nur empört gehüstelt", so Humer.

Er forderte Stenzel zum Handeln auf: "Madame, der 'Pornojäger' weiß, wovon er redet." Sollte die Bezirksvorsteherin, die bei Genehmigungsverfahren eine Stellungnahme machen muss, gewusst haben, was in der Secession stattfinden soll, müsse sie zurücktreten, proklamierte Humer.

Stenzel hatte zuvor in einer Aussendung darauf verwiesen, dass ihre Zustimmung durch grobe Täuschung erschlichen worden sei: "Es ist ein Armutszeugnis und beschämend, dass sich die Veranstalter durch das Verschweigen der ganzen Wahrheit und somit durch das schriftliche Vortäuschen falscher Tatsachen eine positive Stellungnahme des Bezirks für die Ausstellung plus Rahmenprogramm erschlichen haben - wobei von Swingerclub und Gruppensex keine Rede war." Wörtlich habe die "Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession" um die Verlängerung der Sperrstunde "für eine Ausstellung ("Christoph Büchel - Element-6") und Rahmenprogramm in Form von musikalischen Darbietungen (Tonträger) mit Publikumstanz (Themenparties und Kostümfeste)" angesucht. (APA/red)