Leipzig - Eines von etwa 10 000 neugeborenen Kindern in Deutschland leidet unter dem sogenannten adrenogenitalen Syndrom (AGS) - eine angeborene Erkrankung der Nebenniere. Wird das AGS bei der Neugeborenen-Untersuchung nicht entdeckt und hormonell behandelt, kann sich bei den betroffenen Kindern ein lebensbedrohlicher Salzverlust entwickeln. Bei Mädchen besteht außerdem die Gefahr, dass sie dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Wie Ärzte eine frühe Diagnose und eine korrekte Geschlechtszuweisung sicherstellen können, ist ein Thema der Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie am Mittwoch, den 3. März 2010, in Leipzig.

Ursache des AGS ist ein genetischer Stoffwechseldefekt in der Nebenniere. Diese bildet Cortisol, Aldosteron, aber auch männliche Hormone wie Testosteron. Durch den Enzymdefekt entstehen bereits im Mutterleib zu viele männliche Hormone. Die Folgen sind bei den betroffenen Mädchen schon bei der Geburt sichtbar. „Fast alle Mädchen haben ein vermännlichtes äußeres Genital", erklärt Helmuth G. Dörr, Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen. Die Mädchen leiden beim AGS auch unter einer Störung der sexuellen Differenzierung, die heute Disorder of Sexual Development genannt wird und können fälschlicherweise dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen kommt es unbehandelt aufgrund der erhöhten männlichen Hormone zu einer verfrühten Pubertät.

Austrocknung ohne Aldosteron

Ein weiteres Symptom von AGS kann ein Salzmangel sein. Das Hormon Aldosteron steuert in der Niere den Salz- und Flüssigkeitshaushalt. Aufgrund des Aldosteron-Mangels besteht bei den Erkrankten bereits im Säuglingsalter die Gefahr eines lebensbedrohlichen Verlustes von Salzen. Diese tritt bei schweren Formen der AGS auf: Die Säuglinge erbrechen häufig, sie verlieren an Gewicht und werden zunehmend apathisch. „Ohne Aldosteron drohen die Kinder auszutrocknen und erkranken in den ersten Lebenstagen und Wochen lebensbedrohlich", meint Dörr.

Die schweren Folgen können durch eine frühe Diagnose und eine frühe hormonelle Behandlung vermieden werden. „Es ist ein Fortschritt, dass die Untersuchung auf AGS heute Teil der Neugeborenen-Untersuchungen ist", meint Dörr. Der Hormon-Experte sieht jedoch noch Aufklärungsbedarf im klinischen Alltag: „Werden weibliche Neugeborene bei der Geburt fälschlicherweise dem männlichen Geschlecht zugeordnet und der Irrtum erst bei den Symptomen eines Salzverlustes oder noch später entdeckt, sind die betroffenen Familien und auch die Patientin extremen psychosozialen Belastungen ausgesetzt." Wie Patienten mit AGS lebenslang versorgt werden sollten, ist deshalb eines der Tagungsthemen des 53. Symposions der DGE vom 3. bis 6. März 2010 in Leipzig. (red)