Irgendwie wirkte alles uninspiriert. Denn die Frauen und Männer des Europäischen Parlaments, die am Mittwoch bei der Plenartagung in Straßburg der EU-Erweiterung ihren Sanktus gegeben haben, taten es mit klammheimlicher Wut. Nicht, weil sie inhaltlich gegen das größte politische und diplomatische Vor haben Europas seit 1945 sind. Im Gegenteil: Gerade weil sie die Erweiterung befürworten und ihren Stellenwert zu würdigen wissen, haben sie ihren Zorn unterdrückt und zugestimmt.

Die Emotionen der Abgeordneten sind begreiflich. Das Parlament wurde vom Rat, also der Versammlung der Staats- und Regierungschefs, beim Beschluss über die Finanzierung der Erweiterung links liegen gelassen. Obwohl die Abgeordneten mehrmals auf ihr Mitentscheidungsrecht in Budgetfragen hingewiesen haben. Erst die Drohung mit der Blockade der Erweiterung brachte schließlich den Kompromiss. Wobei es im Streit in erster Linie nicht um das vom Parlament geforderte Geld gegangen ist, sondern um den Stellenwert des Parlamentarismus auf europäischer Ebene insgesamt. Dieser genießt offenkundig geringes Ansehen bei den Regierungschefs.

Bis jetzt hat die Abneigung gegenüber einem der wesentlichen Pfeiler demokratischer Strukturen aber wenigstens nicht dazu geführt, dass gegen Basisvereinbarungen in einer so heiklen Frage verstoßen wurde. Wobei man darüber streiten kann, ob der Verstoß in der Hektik der Erweiterungsverhandlungen in Kopenhagen "passiert" ist. Dass aber nach mehrmaliger Urgenz seitens der Parlaments der Rat wochenlang nicht bereit war, seinen Fehler zu reparieren, ist Ausdruck der selbstherrlichen "Wir sind Wir"-Mentalität der EU-Regierungschefs. Zu Recht werden sie daher als Reichsfürsten kritisiert, die um die Macht in Europa wie im Mittelalter feilschen. Welches Signal diese "alten Europäer" an die "neuen Europäer" geben, die in ihren Länder für die EU-Referenden rennen müssen, liegt auf der Hand.(DER STANDARD, Printausgabe, 10.4.2003)