In klassisch altmeisterlicher Ausführung: neue Arbeiten von Maria Lassnig - darunter das Gemälde "Paar" von 2005.

Foto: Lenbachhaus

Zu sehen sind Bilder aus den letzten acht Jahren.

Eine ältere Dame, die nackt auf einem Moped sitzt, sieht man derzeit häufig in München. Landmädchen heißt das Aktbild, mit dem die Städtische Galerie im Lenbachhaus die Personale Maria Lassnigs bewirbt. Rund 40 großformatige Ölgemälde sind zu sehen. Zudem abgründige, ironische Künstlerfilme wie das respektlos-lustige Art Education (1976) und ihr autobiografisches Identitätswechselvideo Kantate. Vor knapp einem Jahr war im Mumok die Lassnig-Ausstellung Das neunte Jahrzehnt zu sehen, in der kein Bild älter als zehn Jahre war, und zur gleichen Zeit in Köln eine Ausstellung mit grafischen Ar-beiten, die mit dem Jahr 1947 einsetzte.

Nun sind neue Arbeiten aus den letzten acht Jahren zu sehen, darunter drei aus 2009 zum ersten Mal. Motto der Künstlerin, die nach einem komplizierten Oberschenkelhalsbruch im vergangenen Herbst schon wieder malend und arbeitend auf den Beinen ist: "Trotzdem, ich will noch immer etwas Neues machen, und wenn es nur etwas Kleines ist." Und weiter: "Doch, ich will schon auch die Rakete übers Haus schießen!"

Überraschend Lassnigs stilistische Vielfalt: Paar-Bilder wie Diskretion oder Zärtlichkeit, beide im Jahr 2004 nach Modellen entstanden und in der malerischen Ausführung stupend und fast altmeisterlich anmutend; oder Geschlechterdarstellungen voll roher Dynamik und schneller Gewalt, und schließlich Optimisten aus dem Jahr 2009 mit zwei spärlich bekleideten Männern vor dunklem Hintergrund. Das Eindringliche, Bewegende, auch das unerbittlich, aber nie larmoyant den physischen Verfall Konstatierende von Lassnigs Porträts scheinen hier reiner Komik, ja der Satire gewichen zu sein. Die übergroßen Daumen der Optimisten zeigen nach oben, auch wenn das Wasser schon bis zum Knie reicht.

Maria Lassnig, Grande Dame der österreichischen Nachkriegsmalerei, ist eine ungebärdige Klassikerin der Gegenwart. Und bleibt eine ewige Neuerin, die ihr Arsenal an Grundmotiven mit stetiger Verve erweitert. Die Besonderheit ihrer Malerei, und das tritt in der klugen, mit ihr präzis abgestimmten Hängung deutlich zu Tage, ist ihr abgründiger Humor, eine oft genug mit heiterem Schrecken unterlegte schreckliche Heiterkeit. Lassnig malt, was sie und vor allem: wie sie sich fühlt. Dafür erfand sie einst den Begriff Body-Awareness Paintings, Körperbewusstseinsbilder. Hie und da wurde dies in der Kunstkritik treffend als eine Art Psychorealismus bezeichnet, bei dem das Innere nach außen gestülpt wird.

Zahlreiche Ehrungen

1980, mit 61, wurde die Kärntnerin, die zuvor elf Jahre in New York gelebt hatte, an die Wiener Universität für angewandte Kunst berufen - als die erste Professorin für Malerei an einer Akademie im deutschsprachigen Raum. 1982 nahm sie an der documenta 7 in Kassel teil, 1985 folgte die erste Personalschau ihrer Ölgemälde in Wien. Im zurückliegenden Jahrzehnt häuften sich die Ehrungen und Preise. 2008 feierten sie Kritiker in London als Entdeckung des Jahres - des Jahrhunderts und nannten sie in einem Atemzug etwa mit Francis Bacon und Louise Bourgeois.

Vor zwei Jahren zeigte das Lenbachhaus eine Retrospektive Rupprecht Geigers zu dessen 100. Geburtstag. Dieser Maler war noch bis wenige Tage vor seinem Tod mit fast 102 Jahren im Dezember 2009 unablässig tätig. Da hat Maria Lassnig also noch viel Zeit - um neue Raketen übers Haus zu schießen. Eine prachtvolle hat sie jetzt schon gezündet - überm Lenbachhaus. (Alexander Kluy aus München / DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2010)