Die Griechen demonstrieren gegen eingeleitete Sparmaßnahmen. Sie wollen nicht für die Versäumnisse der Regierung büßen. So manchem Ökonomen geht der Sparkurs aber noch nicht weit genug.

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Griechenland müsse seine Staatsausgaben drastisch kürzen, um aus der Schuldenfalle zu kommen, sonst ist der Euro gefährdet, so Barclays-Ökonom Thorsten Polleit. Er antwortete auf Fragen von Lukas Sustala.

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STANDARD: Griechenland ist in einer Schuldenkrise. Wie kann die Europäische Union dabei helfen?

Polleit: Es gibt den Artikel 125 über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Darin ist explizit festgeschrieben, dass kein Land einen Bailout (Rettung, Anm.) bekommt. Aus. Punkt. Wenn man dagegen verstößt, ist das kollektiver Rechtsbruch des europäischen Rechts. Das hätte kritische Folgen.

STANDARD: Könnte Griechenland pleite oder aus dem Euro gehen?

Polleit: Aller Voraussicht nach können die Griechen ihre Anleihen ja platzieren, nur zu einem höheren Zins. Was ist da das Problem? Das Wichtigste ist, dass ihre Staatsfinanzen massiv zurückgeführt werden, nicht nur für Griechenland, sondern für das gesamte Euro-Projekt. Dazu bedarf es nicht mehr und nicht weniger, als die Ausgaben zu senken, quer über alle Ressorts um 20 bis 30 Prozent. Das müssen die griechischen Wähler verstehen, die Politiker umsetzen und die anderen in der Schicksalsgemeinschaft Eurozone einfordern.

STANDARD: Wird der Euro weiter an Wert verlieren?

Polleit: Wenn so weiterverfahren wird, ist das wahrscheinlich. Für den Fortbestand des Euro ist es daher ganz entscheidend, dass die Griechen sofort beginnen, ihre Staatsausgaben massiv zurückzuführen. Eine Schuldenkrise ist ja keine Naturkatastrophe, das sind aufgelaufene Missstände. Gewissermaßen ist Griechenland symptomatisch für das, was anderen Ländern noch bevorsteht. Deswegen sind auch die großen Länder, etwa Deutschland, gefordert, die Staatsausgaben zurückzuführen.

STANDARD: Aber die Wirtschaften schwenken doch auf einen Wachstumspfad ein. Die Schulden könnten dann zurückgezahlt werden.

Polleit: Die Verbesserung der Konjunkturzahlen ist ein Strohfeuer. Das ist durch die weltweite Ausweitung der Staatsausgaben angeheizt worden. Wir befinden uns nicht auf einem nachhaltigen Wachstumspfad. Wirtschaftswachstum entsteht meistens dann, wenn Unternehmer und Private besonders viel Freiraum haben, etwas auszuprobieren: Produkt- und Prozessinnovationen. Weltweit wird aber eine Politik eingeleitet, die den Wachstumskräften die Luft entzieht: Ausweitung des Staates, höhere Staatsverschuldung, wachsende Unsicherheit über die künftige Besteuerung. Das ist ein negativer Erwartungsschock, der da über uns hereinbricht. Das ist natürlich Gift für Investitionen und unternehmerisches Handeln.

STANDARD: Analysten bezeichnen den Dollar/Euro-Kurs schon als "Hässlichkeitswettbewerb" .

Polleit: Das gefällt mir, da es sich bei beiden nicht um gesunde Währungen, sondern um schwer angeschlagene Währungen handelt. Doch in beiden Währungsräumen herrscht das Papiergeld. Es gibt aber keinen Grund, warum der Staat die Hoheit über die Geldproduktion haben sollte, weder ökonomisch noch ethisch.

STANDARD: Was ist die Alternative?

Polleit: Historisch war Geld immer ein werthaltiges Gut. Die letzten dreißig, vierzig Jahre waren ein Papiergeldexperiment, hat Milton Friedman gemeint. Und das führt zu immer schwereren, brutaleren Krisen. Die einzige Lösung wäre, die Geldproduktion zu privatisieren. Das kann über einen Goldstandard geschehen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.2.2010)