Ein Cop, der sogar Gangster beeindruckt: Nicolas Cage (Zweiter v. re.), Alvin "Xzibit"  Joiner und Vasallen in Werner Herzogs "Bad Lieutenant"

 

 

Foto: Welan

Wien - "Ich habe keine Ahnung, wer Abel Ferrara ist." Werner Herzog hat diese Wissenslücke bei verschiedenen Anlässen offen zugegeben. Das ist natürlich gelogen, wo er doch mit "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans" den wohl berühmtesten Film des italoamerikanischen Regisseurs noch einmal gedreht hat. Andererseits ist niemand anderem außer Herzog so viel Gleichgültigkeit gegenüber Vorlagen (und Regiekollegen) zuzutrauen. Sein Film ist ja auch kein lupenreines Remake, sondern eine freie Übertragung des Stoffes in einen anderen Kosmos. Einen, in dem zum Beispiel Leguane voll Liebeskummer verzweifelt ihrer Mäuler aufreißen.

Aber alles der Reihe nach. Am Anfang stand die mäßig originelle Idee des Produzenten Edward R. Pressman, "Bad Lieutenant" neu zu adaptieren. Von New York verlegte man das Geschehen in das vom Hurrikan Katrina versehrte New Orleans. Eine Schlange windet sich zum mit der Dreistigkeit eines B-Movies inszenierten Auftakt durchs Wasser, schnurstracks auf einen Gefängnisinsassen zu. Terence McDonagh, der Cop, der sich zuerst seine feinen Unterhosen nicht nassmachen will, rettet den Ertrinkenden, verletzt sich dabei so schwer, dass er den Rest des Films nur unter Einnahme von schweren Drogen bestehen kann.

Schon an dieser Ausgangslage erkennt man, dass Herzog im Unterschied zu Ferrara, bei dem es noch um große religiöse Themen wie Schuld und Erlösung ging, den Ball etwas flacher hält. Sein Blick auf den mit seiner Verfassung ringenden Helden fällt nicht unbedingt milder aus, aber er kokettiert unverhohlener mit dessen Ambivalenz: Für verrückte Grenzgänger hegte Herzog schon immer Sympathien. McDonagh hat einen brutalen Mordfall in einer Familie zu ermitteln, der ins Herz der lokalen Drogenszene führt. Doch seinem Streben nach Gerechtigkeit kommt permanent die eigene Sucht in die Quere. Je manischer er sich in die Umstände des Falls vertieft, desto mehr Gelegenheiten findet er, sich auch selbst einen Gefallen zu tun.

Wiedererweckter Star

"Bad Lieutenant" ist vor allem auch deshalb ein Glücksfall des Kinos, weil hier aus einer chaotischen Gemengelage etwas Unvermutetes entsteht. Der seit einigen Jahren in den USA tätige Herzog inszeniert seinen ersten Thriller deutlich mit eigener Handschrift, er hat dafür mit Nicolas Cage einen Hollywood-Star an der Seite, der zuletzt eher lustlos agierte. Doch plötzlich wirkt Cage motiviert, hellwach und geladen wie selten zuvor. Ein Getriebener, mit steifem Hals und angezogenen Schultern, der sich koksend in immer extremere Stimmungslagen schraubt: In einer Apotheke bedient er sich wutschnaubend selbst, als man ihn zu lange ignoriert, er überfällt gerne junge Pärchen, um an seinen Stoff zu kommen, selbst alte Frauen im Rollstuhl sind vor ihm nicht sicher.

Herzog übersteigert einerseits Standardsituationen, andererseits bettet er die mit Generika versehene Geschichte - Frankie (Eva Mendes), die Freundin McDonaghs, ist eine schutzbedürftigte Prostituierte - behände in die schwülstige Atmosphäre New Orleans' ein, ein perfektes Setting für einen fiebrigen Helden, der den Bezug zur Realität allmählich verliert. Von Herzog selbst gefilmte Alligatoren, die Boten einer animalischen Welt, lauern schon bedrohlich an den Rändern.

Da versteht es sich fast von selbst, dass hier kein Hohelied auf einen Helden anklingt, der sich aus eigener Kraft aus dem Sumpf zieht. In "Bad Lieutenant" regeniert sich Amerika auf mysteriöse Weise selbst - und wie vieles andere in diesem Film hat das eine durchaus komische Qualität: ein amerikanischer Traum, nur einmal etwas anders ausgelegt. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.2.2010)