Richard Grasl: "Im Wesentlichen müssen unsere Produktionskosten runter".

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DER STANDARD: Die Regierung hat das ORF-Gesetz einen wesentlichen Schritt, in den Nationalrat, weitergebracht - und damit verbunden auch 50 Millionen alleine für das diesjährige ORF-Budget, über vier Jahre 160 Millionen extra. Was wird der Zuschauer davon merken? Was ginge sich ohne diese 50 Millionen nicht aus?

Richard Grasl: Wir hätten wohl bei vielen Produktionen massiv auf die Bremse steigen müssen. Was gerade beim österreichischen Film schade gewesen wäre. Denn der hat einen echten Erfolgslauf und wie Produktionen wie "Schnell ermittelt" oder "Live is life" zeigen, bringt er auch sehr gute Quoten. Wichtig ist aber, dass wir einen Teil des Geldes zum Restrukturieren verwenden.

DER STANDARD: Können Sie schon mit dem Geld kalkulieren? Immerhin hängt das Gesetz laut Regierung noch an Stimmen der Opposition?

Richard Grasl: Wir kalkulieren vorsichtig damit, wie übrigens mit allen Einnahmen. Denn hundertprozentig fix ist ja zum Jahresanfang nie etwas. Auch nicht die Werbeerlöse. Daher halte ich die Möglichkeit, auch Teile der Refundierung zu bekommen, für wichtig. "All or nothing" wäre bei 50 Millionen Euro schwierig gewesen.

DER STANDARD: Wann rechnen Sie mit der Überweisung?

Richard Grasl: Mitte des Jahres.

DER STANDARD: Konnten Sie beim ORF-Lobbying für die Einigung im Ministerrat helfen? Hätten Sie sich nicht noch ein bisschen mehr einsetzen können, um die Regierungsparteien milder zu stimmen?

Richard Grasl: Wir haben immer wieder sachliche Argumente geliefert, wenn man uns gefragt hat. Insbesondere auch bei Fragestellungen, ob bestimmte Vorschriften in der Praxis überhaupt machbar sind. Bei allen intern zu klärenden Prozessen funktioniert die Achse mit Generaldirektor Wrabetz hervorragend. Klar aber ist, dass am Ende die Politik zu entscheiden hatte, und da sind wir über die Einigung am Dienstag sehr froh. Denn das Schlimmste ist die Unklarheit und Unsicherheit.

DER STANDARD: Der Vizekanzler hat Dienstag gesagt, wenn schon Geld, dann Kontrolle, das "erhöht den Druck auf die Organe" und sei "gut so". Wie fühlt man sich als ORF-Organ unter dem neuen Druck?

Richard Grasl: Zum Thema Druck: Wir haben alleine 2009 gezeigt, dass wir auch ohne Druck einer Behörde wieder 70 Millionen Euro eingespart haben. Und im Vergleich zu den Budgetzahlen 2007 haben wir rund 200 Millionen jährlich und nachhaltig gespart.

DER STANDARD: Künftig kontrollieren Prüfkommission und Medienbehörde Ihre Sparziele - und können ihnen im äußersten Fall die jährliche Extraration der Regierung aus den Gebühren streichen. Das steuert einen neuen, gewichtigen Unsicherheitsfaktor zu Ihrem neuen Job bei - ein Alptraum für den Kaufmännischen ORF-Direktor?

Richard Grasl: Das sehe ich nicht so. Es wird auch an uns liegen, wie klar wir unsere Spar- und Restrukturierungsbemühungen kommunizieren. Und dann hoffe ich, dass in der neuen Medienbehörde fachkundige Damen und Herren sitzen, die Verständnis für die Besonderheiten des Mediengeschäfts haben.

DER STANDARD: Sie müssen "nachhaltig" an Personal und Strukturen sparen, um die 50 Millionen pro Jahr, später 30 zu rechtfertigen. Haben Sie schon einen Plan? Können Sie uns verraten, wohin die Reise geht, damit die Behörde sich nicht querlegt?

Richard Grasl: Da gibt es keine einzelne allein selig machende Maßnahme. Das ist ein Mix aus vielen Maßnahmen, und das heißt: harte Arbeit für uns. Aber im Wesentlichen müssen unsere Produktionskosten runter. Und da kann man sich an internationalen Benchmarks orientieren. Da müssen dann alle zusammenarbeiten, Redaktionen und Technik. Mit kreativen Lösungen kann man viel sparen, ohne dass die Programmqualität leidet. Ein erster Maßnahmenkatalog wird demnächst vorliegen. Nicht vergessen werden darf aber auch, dass die Politik und gleichzeitig ganz wesentliche Aufgabenbereiche vorschreibt, die Geld binden und wohl auf Dauer vorgesehen sind - z.B. das Orchester, das ÖFI-Abkommen, der neue Infokanal, etc. Insgesamt keine leichte Aufgabe.

DER STANDARD: Demnächst bekommen Sie ein neues Gegenüber als Zentralbetriebsratschef. Haben Sie schon vorgefühlt, was Michael Götzhaber von Ihren weiteren Spar- und Strukturplänen hält?

Richard Grasl: Betriebsrat Götzhaber tritt im März seine Funktion als Vorsitzender des Zentralbetriebsrats an. Dann wird es auch detaillierte Gespräche zu den einzelnen Vorhaben geben. Ich kenne ihn lange und schätze ihn als sehr vernünftigen Gesprächspartner. Und auch er hat als wesentlichen Vorteil, dass er das Haus von allen Seiten kennt. Ich bin sicher, dass er sehr engagiert mithelfen wird, dass die Refundierungsmittel fließen können, weil sonst die Folgen unabsehbar wären.

DER STANDARD: Ich höre, die Werbeeinnahmen des ORF entwickeln sich im ersten Quartal besser als geplant - stimmen zwei Prozent über Plan?

Richard Grasl: Genaue Zahlen bekommen heute zuerst die Stiftungsräte. Nur so viel: Erstmals seit etlichen Quartalen steht wieder ein Plus davor. Aber ich warne, es handelt sich derzeit nur um ein zartes Pflänzchen, es ist noch keine satte grüne Wiese, auf die wir uns zurücklegen und ausrasten können.

DER STANDARD: Zur Werbung: Man könnte fast sagen: Bis auf das Warten aufs Gesetz und bis auf die neue Kontrolle doch noch ein glücklicher Start als Kaufmännischer Direktor, mit mehr Werbung und mehr Regierungsgeld - oder?

Richard Grasl: Ich bin nach zwei Monaten sehr zufrieden. Aber wirklich glücklich bin ich erst, wenn der ORF 2014 so dasteht, dass wir über behördliche Prüfungen gar nicht mehr reden müssen. Dass der ORF so stark ist, dass wir auf niemanden angewiesen sind. Diese wirtschaftliche Unabhängigkeit müssen wir uns jetzt selbst erkämpfen. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 25.2.2010, Langfassung, Fragen per Mail beantwortet)