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Merke:Nicht alle Schwarzbären sind scheu. Und hungrige Schwarzbären sind weniger scheu als satte.

Foto: AP PHOTO/CP,Brett Gundlock

Vancouver - "Bitte wirklich großen Abstand halten. Sonst bringen Sie sich selbst oder die Bären um." Beinah täglich finden sich solche und ähnliche Warnungen in den lokalen Zeitungen - nicht ohne Grund. In der Wintersportprovinz British Columbia ziehen die meiste Zeit im Jahr ungefähr 300.000 Bären ihre Kreise. Meist Grizzlys und Schwarzbären, die allesamt schneller laufen können als neugierige Menschen. Im kalendermäßigen Winter halten die allermeisten Bären normalerweise ihren Winterschlaf. Doch der Olympiawinter in Kanada ist bekanntlich nicht normal. In den vergangenen Tagen wurden in Vancouver bei strahlendem Sonnenschein fast zwanzig Grad im Schatten gemessen.

Die lauen Lüftchen haben sehr viele Bären vorzeitig aus ihrem Winterschlaf erwachen lassen. Offensichtlich nicht ganz ausgeschlafen und weniger abgemagert als sonst nach längerem Winterschlaf tapsen sie durch die Gegend. Wer von Vancouver aus mit dem Leihwagen Richtung Norden fährt oder die Landschaft rund um den Austragungsort Whistler erkundet, hat gute Chancen, auf Bären zu stoßen. Oft traben sie am Straßenrand entlang und machen sich in der Nähe von Häusern an Mistkübeln zu schaffen.

Und so versuchen sich viele Olympia-Fans in einer eigenen Disziplin. Entweder mit ortskundigen Führern oder auf eigene Faust schwärmen sie zum Bären-Besichtigen aus. An manchen "Bären-intensiven" Straßenabschnitten wird man gewarnt: "Bitte nicht anhalten, Fenster geschlossen halten, nicht aussteigen, nicht füttern. Bären sind Wildtiere und können töten." Zusätzlich patrouilliert die Royal Canadian Mounted Police, schließlich kommt es in British Columbia jährlich zu dutzenden Zusammenstößen von Autos mit Bären. Dabei kommen Tiere und gelegentlich auch Menschen ums Leben.

Gefahrloser für Mensch und Tier ist eine Bärenbesichtigung via Internet. 700 Kilometer nördlich von Vancouver hat das Ehepaar Wyman unweit der Ortschaft Rosswood eine Bärenhöhle entdeckt und eine Web-Kamera installiert. Wie erwartet, verkroch sich da einer der sehr seltenen Kermode-Bären, deren Gesamtzahl auf nicht mehr als 150 geschätzt wird, zum Winterschlaf. Die Kermodes gehören zur Familie der Schwarzbären. Aufgrund eines genetischen Defekts ist ihr Fell aber cremefarben bis strahlend weiß.

Den Kermode-Bären im noch winterlichen Rosswood kann man, wenn auch nur bei Tageslicht, im Winterschlaf beobachten (siehe Webtipp). Übrigens bewegt er sich oft, manchmal reißt es ihn richtiggehend. Wovon auch immer er träumen mag - von Olympia eher nicht. (Victoria Greystone, DER STANDARD Printausgabe 25.02.2010)