Ein Mann, der sich wie ein Tier im Dickicht versteckt: Andreas Lust in der existenziellen Filmballade "Der Räuber" - ab Freitag im Kino. 

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B. Heisenberg: Trennung von Kino- und TV-Film ist wichtig.

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Standard: "Der Räuber" basiert auf dem Fall des "Pumpgun Ronnie" , eines Bankräubers aus den 1980er-Jahren, der auch Marathonläufer war. Im Film rennt er jedem, der ihm näherkommen will, davon. Warum dieser unpsychologische Zugang?

Heisenberg: Johann, der Protagonist, funktioniert für mich nicht psychologisch, sondern wie ein Phänomen - deswegen wollte ich ihn auch anders behandeln. Das erste Treatment haben Martin Prinz und ich noch nahe am Roman konzipiert. Der ist stark verschränkt, die Psychologie baut sich erst langsam auf. Im Film haben wir chronologischer gearbeitet, um die Spannung aus dem klaren Ablauf der Ereignisse zu erzeugen und den Zuschauer dadurch zu involvieren. Jetzt folgt man der Figur gespannt, es baut sich ein Puzzle zusammen, aus Motiven, Dialogstücken, Beziehungselementen, bis es am Ende eine starke Identifikation mit dem Charakter gibt.

Standard: Wie sind Sie auf den Hauptdarsteller Andreas Lust gekommen, dem die Rolle ja auch physisch einiges abverlangt?

Heisenberg: Ich hatte ihn in Revanche gesehen und fand ihn da sehr gut. Wir haben ein ganz normales Casting gemacht, auch mit Franziska Weisz, und da haben sich beide durchgesetzt. Andreas hat so eine gute sportliche Veranlagung, dass er auch Profiläufer hätte werden können: Diese Fähigkeit ist nicht selbstverständlich und war ein großes Geschenk für uns.

Standard: Andreas Lust strahlt Härte, auch eine unbestimmte Traurigkeit aus. Eine Ambivalenz, die Sie gesucht haben?

Heisenberg: Für mich hatte die Figur immer diese Festigkeit und Konzentration. Marathonläufer sind Menschen mit unglaublicher Selbstdisziplin. Wenn so jemand Bankräuber wird, das zusätzlich macht, muss das jemand sein, der sich im Griff und eine unglaubliche Willenskraft hat. Andererseits gibt es diese physische Verletzlichkeit, die mich fasziniert hat. Er ist nicht nur einfach ein Klotz, sondern ein liebender Mensch.

Standard: Der Film ist eine österreichische Produktion: Es gibt Sprachfärbungen, lokale Schauplätze - wie wichtig war das?

Heisenberg: Ich bin ein Österreich-Fan und fand die Geschichte immer sehr österreichisch, deswegen wollte ich den Dialekt auch betonen. Die Wiener Sprachfärbung, die hart und weich sein kann, gefällt mir. Ich fand, der Film gehört hierher. Filmisch habe ich versucht, Wien wie jemand zu betrachten, der hier lebt. Da sehe ich dann weniger die Sehenswürdigkeit, sondern ganz normale Orte in der Fußgängerzone oder im Park. Wenn ich dort Actionszenen ansetze, wird das umso spektakulärer, weil ich es mit dem eigenen Leben verbinden kann.

Standard: Action ist ja Neuland für Sie. Überwogen technische Herausforderungen oder eher Fragen des Ablaufs, der Inszenierung?

Heisenberg: Beides gab zu denken. Technisch, um die Szenen herzustellen. Dann gab es die Frage, wie man das überhaupt gut inszeniert. Ganz grundsätzlich: Wie muss die Bewegung der Kamera mit jener des Läufers übereinstimmen? Wie gehe ich mit dem Schnitt um - bei manchen Szenen hab ich viel zu viel gedreht, andere Szenen bestanden aus einem einzigen Take. Es war sehr lehrreich zu sehen, welche Einstellungen funktionieren, welche weniger. Wir haben versucht, einen eigenen Stil zu kreieren, im Gegensatz zur klassischen Bauart, der aber die Dynamik des Mainstream behält.

Standard: Worin sehen Sie die stärksten Abweichungen?

Heisenberg: Es gibt einen Mainstream-Stil, der auf eine Art Shutter-Ästhetik hinausläuft. Es wird schnell geschnitten, man kann der Erzählung kaum mehr folgen. Alles ist auf die Hyperventilation des Zuschauers ausgerichtet. Das wollte ich vermeiden, weil ich es spannender finde, wie in besseren Actionfilmen das Gefühl zu erzeugen, dass man dabei ist und der Handlung im Tumult noch folgen kann.

Standard: Eine Qualität des Films ist die Dauer der Flucht. Sie reicht bis zu existenzieller Erschöpfung am Berg...

Heisenberg: Das ist im Piestingtal. Der Räuber gleicht dann schon fast einem Tier im Wald. Der Mensch ist ja eine Art Tier, das Tierische ist im Verhalten mindestens so groß wie das Psychologische. Ich bin selbst in der Nähe eines Walds aufgewachsen, bin geritten, und da merkt man, dass man auch nur ein Lebewesen ist. Auch deshalb habe ich den Film teils wie ein Tierfilmer gedreht. Tarkowskij schafft es, Natur so darzustellen, dass man die Gräser spürt. Ich wollte auch den Wind in den Föhrenwäldern hörbar, den Fluss spürbar machen - den Film zu einem archaischen Erlebnis machen.

Standard: Sie verbinden in "Der Räuber" Genre- mit Autorenkino. Bekennen Sie sich eigentlich zu einem "kleinen Kino" mit Handschrift?

Heisenberg: Nein, im Gegenteil, es hat nichts mit der Frage klein oder groß zu tun. Das ist ein Holzweg. Ich finde, man muss sich fragen, was die Filme aus sich selbst heraus fordern. Es ist super, dass es kommerzielle Filme gibt. Auch das will gekonnt sein. Umgekehrt ist Kunstkino nichts Zuschauer- oder Lustfeindliches.

Standard: Warum gibt es im deutschen Mainstream so wenige Autoren - liegt das an Produzenten wie Bernd Eichinger?

Heisenberg: Bernd Eichinger ist kein so gutes Beispiel, weil das doch jemand ist, der mit Herzblut Filme macht. Der hat eine bestimmte Vorstellung und zieht sie durch. Als Regisseur weiß ich da zumindest, was mein Gegenüber will. Was ich schlecht finde, ist, wenn man Filmen die Ecken abschleift, weil man Angst davor hat, den Zuschauer zu verlieren. Das ist doch genau das, was die Besucher suchen - das Unverwechselbare. Und da ist das Fernsehen mit seiner starken Einflussnahme sicher mit schuld. Wir brauchen eine Trennung zwischen Fernsehfilm und Kinofilm. Damit beide Bereiche mehr Selbstbewusstsein und eigene Formen entwickeln. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe 24.2.2010)