Heftige Kritik übt Fritz Wendl, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, am neuen ORF-Gesetz. Seine Stellungnahme im Wortlaut:


"Dass die Regierung offenbar ernsthaft vor hat, ORF-Gesetz, Medienbehörde, usw weitestgehend in der kläglichen Form, die in Begutachtung geschickt worden war, beschließen zu lassen, ist eine Verhöhnung des Publikums und der in Medien Arbeitenden, eine Bankrotterklärung sogenannter Medienpolitik. Da wurden mehr als ein Jahr lang von Kanzler, Vizekanzler, Staatssekretär, Landeshauptleuten, Clubobmännern, usw große Änderungen angekündigt, es gab sowohl in einer Parlamentsenquete als auch in teilweise sehr detaillierten und fundierten Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren (etwa von ÖGB und AK) etliche wesentliche Vorschläge, und jetzt sollen Gesetze beschlossen werden, die teilweise sogar noch schlechter sind als die bestehenden.

Dass die Verwirklichung einer Grundvoraussetzung eines wirklich unabhängigen ORF, eine völlig neue Konstruktion der ORF-Gremien, wie sie von den ORF-Journalisten, dem Rechnungshof, in der Parlamentsenquete, usw immer wieder gefordert wurde, am Unwillen von Politikern, die den ORF als ihr Eigentum behandeln wollen, scheitern würde, war längst absehbar. Dass aber selbst mit dem ORF-G 01 vorgenommene ökonomische Schwächungen des ORF nicht nur nicht zurückgenommen, sondern auch noch verstärkt werden sollen, hätten selbst gelernte Skeptiker kaum erwartet. U. a. die Koppelung der teilweisen, befristeten Gebührenbefreiungsrefundierung an eine weitere „strukturelle Reduktion der Personalkosten" und eine „Reduktion der Pro-Kopf-Kosten" kann nur zu einer weiteren Vernichtung von (Qualitäts-)Arbeitsplätzen führen und hätte unvermeidliche Konsequenzen für den Umfang und die Qualität der ORF-Berichterstattung, das Kerngeschäft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Legitimation dadurch in Frage gestellt würde.

Über den ORF hinaus, für die gesamte Medienlandschaft Österreichs, für die demokratiepolitische Bedeutung der Medien, überaus bedenklich ist, dass offenbar auch alle im Begutachtungsverfahren aufgezeigten Mängel einer „Medienbehörde neu" Gesetz werden sollen. Wenn u. a. nicht gesichert ist, dass (wenigstens einige) Mitglieder der Behörde über Medienpraxis verfügen, ist keine Garantie geboten, dass bei Entscheidungen medialem Sachverstand eine entscheidende Rolle zukommt. (Wobei sich der Verdacht aufdrängt, dass dies sogar beabsichtigt sein könnte).

Nicht zuletzt jene Abgeordneten, die Delegierte zum ÖGB-Bundeskongress waren, sind daran zu erinnern, welche konkrete Forderungen sie dort beschlossen haben, Forderungen, die auch in der Stellungnahme des ÖGB im Begutachtungsverfahren detailliert ausgeführt sind und die nun - einschließlich auch verfassungsrechtlicher Bedenken - laut Regierungsvorlage so gut wie vollinhaltlich ignoriert werden sollen.

Die ORF-Journalistinnen und -Journalisten appellieren eindringlich an Öffentlichkeit und Gesetzgeber, diese Gesetzesvorlagen nicht unverändert zu Gesetzen werden zu lassen." (red)