Der Unterhaltungsriese Disney beginnt im Herbst mit Tests für ein digitales Homevideo-Vertriebssystem. Der Schritt markiert zwar eine Wende in der ablehnenden Haltung Hollywoods gegenüber digitalen Technologien, verabschiedet sich aber auch vom Online-Geschäftsmodell a la Movielink, berichtet die Financial Times. Das Vertriebssystem nutzt Teile der digitalen Sendefrequenz des Disney-Senders ABC um die Filme direkt in die Wohnzimmer und Set-Top-Boxen der Konsumenten zu schicken. Disney nutzt dabei zwar digitale Technologien, wendet sich aber vom Internet als Distributionsmedium ab und erfindet eine terrestrische Form von Video-On-Demand neu.

"Wenn wir es nicht tun, werden es Piraten tun"

"Wenn wir den Konsumenten unsere Produkte nicht in einer zeitgemäßen Art und Weise anbieten, werden es Piraten tun", zeigte sich Disney-Chef Michael Eisner ungewöhnlich einsichtig. Gleichzeitig brachte er den Konflikt Hollywoods auf den Punkt: Die Filmindustrie gebe enorme Summen aus, um die Menschen dazu zu bewegen, ihre Filme zu sehen. Danach müsse die Industrie noch einmal enorme Summen ausgeben, um dieselben Menschen daran zu hindern bzw. zu "kontrollieren und limitieren". Disney sieht diese Problematik offenbar hauptsächlich im Internet gegeben und setzt wieder auf die Set-Top-Box bzw. digitales Fernsehen. Pro Woche sollen zehn Filme ausgestrahlt werden. Die entsprechenden Set-Top-Boxen sollen 100 Filme speichern können.

Noch keine Revolution

Das neue System werde einen ähnlichen Effekt auf die Filmindustrie haben wie die Einführung des Videorekorders, so Eisner. Ob das neue Geschäftsmodell mit dem Internet konkurrieren kann, bleibt freilich vorläufig offen. Video-On-Demand hat sich jedoch bisher nicht als Revolution des Filmvertriebs herausgestellt. Die Homevideo-Initiative von Disney folgt einer entsprechenden Initiative der gesamten US-Filmindustrie, die eine rasche Förderung und Verbreitung digitaler Distribution in den US-Kinos vorsieht. Bisher gibt es aber nur wenige Kinos in den USA und weltweit, die über eine digitale Ausrüstung verfügen, die beispielsweise Kinofilme via Satellit ermöglicht. Weltweit gab es Ende 2002 erst 120 digitalisierte Kinos, die mit der neuen Projektionstechnik ausgestattet sind. 64 davon in den USA, zwölf in China, 19 in Europa.(pte)