In der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) gibt es offenbar erhebliche Meinungsunterschiede über den Umgang mit Islamisten und deren Unterstützung für Terrorverdächtige.

"Wir haben nicht immer deutlich gemacht, dass wir zwar die Rechte aller Menschen verteidigen, eingeschlossen Terrorverdächtige und noch wichtiger Terror-Opfer, aber nicht deren Ansichten" , heißt es etwa in der internen E-Mail eines Regionaldirektors. Eine Abteilungsleiterin der Londoner Hauptverwaltung, Gita Sahgal, hatte wochenlang intern gegen gemeinsame Auftritte mit einem britischen Islamisten protestiert. Als der Fall in den Medien auftauchte, wurde die 53-Jährige umgehend suspendiert.

Gita Sahgal setzt sich seit drei Jahrzehnten insbesondere für die Rechte von Frauen ein. Sie habe die Kampagne gegen das US-Gefängnis von Guantánamo Bay vollkommen unterstützt, berichtete die Aktivistin der BBC. "Aber der Kampf gegen die Folter sollte nicht der Legitimierung von Individuen und Organisationen der islamischen Rechten dienen."

Sahgal wendet sich insbesondere gegen den gemeinsamen Auftritt von AI-Leuten mit dem früheren Guantánamo-Häftling Moazzam Begg und dessen Organisation Cageprisoners. Begg war einer der Hauptredner auf einer Europatour, mit der AI EU-Staaten zur Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen ermuntern wollte.

Begg wuchs in Birmingham auf. 2000 nahm ihn der britische Staatsschutz unter Berufung auf Antiterrorgesetze kurzzeitig fest. Begg übersiedelte nach Afghanistan; in seinen Memoiren beschreibt er die damalige Taliban-Regierung als "das Beste, was Afghanistan in den 20 Jahren zuvor" erlebt hatte. 2002 wurde er in Pakistan festgenommen und als Terrorverdächtiger nach Guantánamo überstellt.

Seit seiner Freilassung ohne Anklage 2005 spricht und schreibt Begg über seine Erfahrungen und setzt sich für islamistische Terrorhäftlinge ein. Begg versichert, seine Organisation Cageprisoners werde "niemals die Tötung unschuldiger Zivilisten unterstützen, ob durch Suizidbomber oder durch B-52-Flugzeuge, ob autorisiert durch Awlaki oder Obama".

Der interimistische AI-Generalsekretär Claudio Cordone verteidigt die Zusammenarbeit mit Begg. Diese konzentriere sich "ausschließlich auf die Menschenrechtsverletzungen" in Guantánamo. Begg habe auf einer gemeinsamen Veranstaltung "nie Einwände gegen die Rechte anderer erhoben." (Sebastian Borger aus London /DER STANDARD, Printausgabe, 19.2.2010)