Helmut Seethaler bei einer Kunstaktion im Museumquartier vor einigen Wochen - Die Journalisten und Fotografen sind immer mit dabei

Foto: DER STANDARD/Heribert Corn

Wien - Helmut Seethaler, in Österreich besser bekannt als "Zettelpoet", musste sich am Donnerstag vor dem Wiener Straflandesgericht wegen Sachbeschädigung verantworten. Er habe vergangenen Herbst 13 Steinplatten vor dem Museumsquartier mit dem Schriftzug "www.hoffnung.at" und seiner Telefonnummer beschrieben. "Dort wo der Hund hingackt und die Leute hinspucken", erklärte eine Besucherin der Gerichtsverhandlung den anwesenden Journalisten. Selbst bezeichnet sich Seethaler als "weltberühmter Dichter", seine Geschichte mit dem Gericht ähnelt eher einem Fortsetzungsroman. Rund 3000 Mal wurde er bislang angezeigt, rechtskräftig jedoch noch nie verurteilt.

Schon vor der Verhandlung gab Seethaler beim Hintereingang des Landesgerichts Interviews und ließ Richterin Andrea Wolfrum warten. "Sie kennen den Vorwurf?", fragte Wolfrum als Seethaler schließlich auf der Anklagebank saß. "Wie immer", entgegnete der 56-jährige Wiener routiniert und fügte hinzu: "Ich habe noch nie etwas gemacht, weswegen ich vor Gericht stehen sollte."

"Ideell bekenne ich mich schuldig"

Seit 35 Jahren hinterlässt der "Zettelpoet" im öffentlichen Raum seine "Pflück-Texte" und schreibt Gedichte auf Bauabsperrungen. Er schreibe jedoch nie auf Hauswände. Für die Aktion im Museumsquartier sei er "ausnahmsweise nicht" verantwortlich. Er sei dort zwar regelmäßig tätig gewesen, aber nicht im Tatzeitraum zwischen 30. Oktober und 2. November 2009. "Leider war ich das nicht, ich wäre stolz darauf. Ideell bekenne ich mich schuldig", gab Seethaler zu Protokoll.

Dem Gutachter wollte Seethaler dennoch keine Schriftproben abliefern, weshalb dieser Fotos für seine Arbeit heranziehen musste: "Ich hatte genug Material für einen Formenvergleich und habe fast ausschließlich Übereinstimmungen gefunden." In eigener Sache fügte der Graphologe noch hinzu, dass er keine E-Mails ("Manchmal mehrere pro Tag") von Seethaler wünsche. Richterin und Staatsanwältin schlossen sich dieser Bitte an. "Das muss sein. Jeder, der sich anmaßt, bei diesem Theater mitzuspielen, bekommt von mir Gedichte", entgegnete Seethaler.

Zwei Monate bedingte Haft

Am Schluss der Verhandlung wandte sich Wolfrum noch einmal an den Angeklagten: "Werden sonst noch Verlesungen gewünscht?" Seethaler: "Gedichte?" Nein, aus dem Akt", sagte die Richterin geduldig.

Seethaler wurde zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Er werde volle Berufung einlegen, kündigte er an. "Ich mache weiter. Das ist mein Job", sagte der Dichter abschließend.

Seine Ankündigung setzte er gleich vor dem Verhandlungssaal in die Tat um und schrieb auf die Bodenplatten: "Kulturverbreitung, bringt mi ins Häfn." Danach gab er den Medienvertretern bereitwillig Interviews. Die anwesenden Uniformierten machten sich zwar Notizen, schritten aber bei der Aktion nicht ein. "Er ist ein durchgeknalltes Wiener Original. So wie der Waluliso. Er wird immer die Volksseele auf seiner Seite haben", raunte ein Beamter dem anderen zu. (Julia Schilly, derStandard.at, 18. Februar 2010)