Moskau - Vor den russischen Feiern zum 65. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazideutschland ist in Moskau ein Streit um die Verehrung des Sowjet-Diktators Josef Stalin entbrannt. Die Hauptstadt Moskau genehmigte großflächige Werbetafeln mit dem Abbild des KP-Führers Stalin und löste damit eine Protestwelle aus. Wer an den Sieg im Zweiten Weltkrieg ("Großer Vaterländischer Krieg") erinnere, könne diesen nicht Stalin zuschreiben, sondern nur der Bevölkerung, sagte der Unterhausvorsitzende Boris Gryslow am Donnerstag der Agentur Interfax in Moskau. Auch Menschenrechtsverfechter hatten sich darüber empört, dass das Bild eines "Massenmörders" die Stadt für die Feiern am 9. Mai schmücken solle.

Die russische Gesellschaft ist im Umgang mit dem 1953 verstorbenen Stalin tief gespalten. Bürgerrechtler und Historiker erinnern daran, dass während des kommunistischen Terrors Millionen von Menschen getötet worden sind. Die Kommunisten verehren Stalin weiter als größten Helden der Geschichte und schreiben in erster Linie ihm den Sieg über den Faschismus zu. Auch Gryslow, einer der führenden Köpfe der von Regierungschef Wladimir Putin geführten Mehrheitspartei Geeintes Russland, forderte die Stadt zu einem Verbot des Stalin-Kults auf.

Westliche Diplomaten befürchten, dass die zu den Siegesfeiern am 9. Mai eingeladenen internationalen Staats- und Regierungschefs aus Protest gegen die Stalin-Plakate ihre Teilnahme absagen könnten. Eingeladen ist auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach der Genehmigung der Stadt dürfen die Stalin-Tafeln von Anfang April an aufgehängt werden.

Präsident Dmitri Medwedew hatte sich zuletzt gegenüber Israels Premier Benjamin Netanyahu mit Nachdruck gegen jeden Versuch einer "Umdeutung" der Geschichte des Zweiten Weltkriegs gewandt. "Wir werden den 65. Jahrestag des Sieges über den Faschismus begehen. Das ist ein gemeinsamer Sieg", betonte Medwedew. "Wir dürfen nicht zulassen, dass das damalige Geschehen missbraucht und uminterpretiert wird", sagte der russische Präsident. (APA)