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Zu den längst "dienenden" Produkten im Browsermarkt gehört ein Stück Software aus Norwegen: Bereits im Jahr 1996 wurde die erste öffentliche Version von Opera freigegeben, zu einem Zeitpunkt also, als der erste "Browserkrieg" zwischen Netscape und Microsoft erst so richtig in Fahrt kam. Über die Jahre hat man dabei eine eingeschworene Schar an NutzerInnen um die Software versammelt, die gern - und teilweise durchaus zurecht - darauf verweisen, dass Opera zahlreiche Innovationen in diesem Softwaresegment eingeführt hat (die Tabs gehören übrigens nicht dazu ;-) ). 

Ranking

Doch auch wenn der Browser in der Öffentlichkeit immer als besonders schlank und flink wahrgenommen wurde, die großen Erfolge feierten eigentlich immer die anderen: Dem Aufstieg von zunächst Firefox, dann Safari und zuletzt Google Chrome konnte man nur zuschauen, der weltweite Marktanteil von Opera stagniert seit Jahren, rund 2,4 Prozent weist etwa NetApplications dem Browser derzeit aus - gleichbedeutend mit Platz 5 im internationalen Vergleich. Dies obwohl die Software, die einst kommerziell und dann werbefinanziert vertrieben wurde, schon seit Jahren vollständig kostenlos erhältlich ist, und das auch für eine Vielzahl an Betriebssystemplattformen.

Opera 10.50

Vor allem in letzter Zeit hatte man wohl auch damit zu kämpfen, dass andere Browser längst die eigenen Kernstärken angreifen und selbst die Speed-Krone für sich beanspruchen. Vor allem Google Chrome ist es, der seit seinem Auftauchen im Herbst 2008 gemeinhin als Performance-Primus aus den Benchmarks aussteigt. Doch so einfach gibt man sich bei Opera natürlich nicht geschlagen, mit Opera 10.50 verpasst man der eigenen Software eine Rundumerneuerung und will dabei auch gleich neue Maßstäbe bei der Browser-Geschwindigkeit setzen. Seit kurzem ist die fertige Version verfügbar, auf den folgenden Seiten soll näher darauf eingegangen werden, was diese an Neuerungen bringt - und ob man die Speed-Versprechen tatsächlich einlösen kann.

Grafik: Archiv

Vorab sei erwähnt, dass Opera 10.50 derzeit nur für Windows-Systeme erhältlich ist, Linux- und Mac-OS-X-NutzerInnen werden aber zumindest Test-Versionen des Browsers geboten. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass diese in unseren Test noch deutlich mehr Bugs als die Windows-Variante zeigten, manche Funktionalität gar noch nicht vollständig implementiert ist.

UI

Was nach dem ersten Start sofort auffällt: Opera schließt sich dem aktuellen Trend zur Reduktion des Browser-Interfaces an: Die Oberfläche des Programms präsentiert sich erheblich aufgeräumter als in Vorgängerversionen, die eigentliche Anzeiger der besuchten Webseite tritt vollständig in den Vordergrund.

Menü

Neben der Navigationszeile gibt es nur mehr den Tabbar sowie die Statusleiste, alles andere wurde entfernt. Konkret bedeutet dies, dass die Menüzeile nicht mehr von Haus aus angezeigt wird, die wichtigsten Einträge werden statt dessen im neuen Opera-Menu zusammengefasst. Dieses wurde platzsparend als Knopf links neben den geöffneten Tabs angebracht, wer sich damit so gar nicht anfreunden kann, kann allerdings auch die klassische Menüzeile wieder aktivieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Adresszeile des Browsers hat man erheblich erweitert. Ähnlich dem Awesomebar werden von hier aus nun automatisch History und Bookmarks durchstöbert, entsprechende Ergebnisse übersichtlich zur Auswahl gestellt.

Volltext

Opera geht hier allerdings noch einen Schritt weiter als die Konkurrenz, wird doch der gesamte Inhalt einer Seite indiziert. Es werden also auch jene Webpages präsentiert, bei denen der gesuchte Begriff im Volltext und nicht bloß im Titel vorhanden ist. Auf Dauer unerwünschte Suchergebnisse lassen sich gezielt aus der dargestellten Liste entfernen. Zusätzlich kann noch die bevorzugte Suchmaschinen direkt aus der Adresszeile heraus genutzt werden.

Suche

Trotzdem gibt es weiterhin ein separates Suchfeld, und auch dieses wurde weiter aufpoliert, etwa indem sich Sucheinträge nun manuell definieren lassen. Außerdem werden die vorangegangenen Suchen direkt unter der zugehörigen Box zur Auswahl gestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Das Herzstück der angepriesenen Neuerungen von Opera 10.50 ist jedoch unter der Oberfläche zu suchen. Eine Reihe von Änderungen an der Basistechnologie sollen eine massive Beschleunigung gegenüber der Vorgängerversion bringen und die Software wieder zum "schnellsten Browser der Welt" machen, so zumindest das Versprechen des Herstellers.

Javascript

Ein Schwerpunkt des Geschwindigkeitswettstreits der Browserwelt galt in den letzten Jahren fraglos dem Bereich Javascript, ist dieser doch vor allem für moderne Web-Anwendungen von großer Bedeutung. Opera 10.50 will hier mit einer gänzlich neuen Javascript-Engine namens "Carakan" reüssieren, nichts weniger als eine Verachtfachung der Performance verspricht man in diesem Bereich. Zusätzlich wurde die Vektorgrafikbibliothek Vega zum zentralen Backend der Rendering-Engine Presto gemacht, durch die Nutzung von Hardwarebeschleunigung - etwa über OpenGL - soll diese die "normale" Webseiten-Darstellung deutlich flotter machen.

Gewinn

Behauptungen, die sich auch im Test - zumindestens größtenteils - nachvollziehen lassen: Opera 10.50 war auf dem Testsystem, einem älteren Rechner mit Athlon XP 2200+ CPU und Windows-7-System, durch die Bank erheblich flotter als die aktuelle stabile Version des Browsers. Von der wirklich tollen Startzeit (zumindest unter Windows, die Mac-Version agiert hingegen in dieser Hinsicht noch recht behäbig) bis zur beschleunigten Seitendarstellung gibt es eigentlich nur Positives zu vermelden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch die durchgeführten Benchmarks zeigen eine drastische Beschleunigung zu Opera 10.10, und wenn sie die Behauptung "schnellster Browser der Welt" doch nicht uneingeschränkt belegen können, so liegt Opera 10.50 nun zumindest auf Augenhöhe mit Chrome und Co. Deutlich zeigt sich das beim "Allround"-Benchmark Peacekeeper, der unterschiedlichste Browser-Aspekte - von Javascript über die Textdarstellung bis zur Grafik-Engine - testet und in einen gemeinsamen Wert zusammenführt.

Durchgängig

Hier erreichte Opera 10.50 mit 1.586 Punkten einen mehr als doppelt so hohen Wert wie sein Vorgänger (763) und liegt damit nicht nur vor Firefox 3.6 (1.377) sondern ist auch schneller als aktuelle Entwicklungsversionen des Mozilla-Browsers - die Firefox 3.7-Nightly erzielte 1.458 Punkte. Lediglich Google Chrome 5.0.342.2 ist mit 1.964 Punkten noch mal ein Stück flotter, allerdings handelt es sich auch hierbei um eine Developer-Release.

Javascript

Zumindest auf dem Testrechner konnte Opera die versprochenen Top-Javascript-Werte allerdings nicht uneingeschränkt liefern, im Sunspider-Benchmark lag man mit 4.263,8 ms zwar klar vor Opera 10.10 (7.806 ms), aber auch deutlich hinter Google Chrome 5.0.342.2 (968,8 ms), Firefox 3.7 (1.570,4 ms) und auch Firefox 3.6 (1.902,4 ms). Allerdings sei darauf hingewiesen, dass solche Ergebnisse stark vom verwendeten System abhängen können, so zeigt das Gros der andernorts vorgenommenen Benchmarks Opera 10.50 in etwa auf dem Sunspider-Niveau von Google Chrome - der Browser dürfte also überdurchschnittlich von moderner Hardwareausstattung profitieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Konsistent mit anderen Test ist hingegen der vergleichsweise geringe Wert beim Dromaeo DOM Core Test: 37,46 Durchläufe/s ist nur geringfügig schneller als Opera 10.10 (28,61) und weit von den Werten des Firefox 3.6 (103,58), Firefox 3.7 (206,44) sowie Chrome 5 (237,26) entfernt. Das Document Object Model (DOM) ist für den Aufbau von Struktur und Komponenten einer Seite zuständig - und hat entsprechend gerade bei komplexeren Seiten einen Einfluss auf die Darstellungs-Performance. Zumindest dies also ein Bereich, in dem Opera noch Spielraum für weitere Optimierungen hat.

Privat

Aber auch jenseits der Performance hat Opera 10.50 zentrale Neuerungen zu bieten. Dazu gehört die Einführung eines "Private Browsing"-Modus, wie er von anderen Browsern her bereits bekannt ist. Konkret wird dieser hier pro Tab implementiert, einzelne Tabs können also gezielt "privat" betrieben werden, was bedeutet, dass keinerlei Informationen über die aktuelle Nutzung in History, Cookies und Co. landen.

Vermischtes

Als nette Kleinigkeit kann verbucht werden, dass Opera 10.50 Warndialoge nun an einzelne Tabs bindet, diese also nicht mehr den gesamten Browser blockieren bis sie beantwortet sind. Zusätzlich wurde die Seitensuchfunktion überarbeitet, zur besseren Übersichtlichkeit wird die eigentliche Webseite nun leicht abgedunkelt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Weitere Fortschritte macht Opera 10.50 bei der Unterstützung aktueller Webstandards: Die Software hat zwischenzeitlich so manches neue Layout-Attribut richtig zu interpretieren gelernt, konkret vor allem die CSS3 Transformations und Transitions.

Video

Ein weiteres Plus ist der Support für die HTML5-Video-Tags, mit denen die diversen Browser-Hersteller einen gemeinsamen Standard für Online-Video etablieren wollen. Opera setzt dabei - wie auch etwa Mozilla/Firefox - voll auf offene Formate, stellt sich also hinter das freie Theora-Codec.

Plattform

Deutliche Fortschritte macht man bei Opera 10.50 auch mit der Unterstützung der unterschiedlichen Betriebssystem-Plattformen. Beim Beispiel Mac OS X bedeutet dies etwa, dass zahlreiche Dialoge besser an den Cocoa-Stil angepasst wurden, zusätzlich kann der Browser nun Benachrichtigungen mittels Growl darstellen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die größten Fortschritte hat Opera 10.50 aber für die NutzerInnen von Windows 7 zu bieten, nutzt man hier doch diverse neue Vorzüge der aktuellsten Ausgabe des Betriebssystems von Microsoft. Die Windows-Integration erreicht damit ein Level, wie sie bisher nur der Internet Explorer 8 bieten konnte.

Miniatur

So unterstützt die neue Version vollständig "Aero Peek", beim Bewegen des Mauszeigers über das Opera-Icon werden nicht nur die geöffneten Fenster sondern auch alle darin enthaltenen Tabs in Form von Miniaturgrafiken dargestellt. Der Klick auf eines der Preview-Bildchen führt dann umgehend zum zugehörigen Tab.

Jump Lists

Zusätzlich werden noch die Jump-Lists von Windows 7 unterstützt. In diesen werden nicht nur die auf der Speed-Dial-Seite versammelten, beliebtesten Webpages für den Schnellzugriff gelistet, auch das Öffnen eines neuen Tabs - ob "privat" oder nicht - kann hier ausgelöst werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zentrale Veränderungen birgt Opera 10.50 für die Linux-Variante der Software, konkret hat man hier nichts weniger als die Basis für das gesamte Interface ausgetauscht. Bislang setzte man dafür fix auf das grafische Toolkit Qt, das auch die Grundlage des KDE-Desktops bildet, damit ist nun aber Schluss.

Pur

Statt dessen gibt es ein "pures" X11-Interface, das mit GTK+ und Qt-Erweiterungen optimal in GNOME / KDE integriert werden soll. Von diesem Schritt profitieren vor allem die NutzerInnen von GNOME und Co. präsentiert sich Opera hier denn nicht nur besser in den umgebenden Desktop integriert, dadurch dass die Qt-Bibliotheken nicht mehr nachgeladen werden müssen, verkürzt sich auch die Startzeit der Anwendung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eines ist unübersehbar: Mit Opera 10.50 macht der traditionsreiche Browser einen beeindruckenden Schritt nach vorne. Die Reduktion des User Interfaces und die diversen neuen Funktionen sind dabei der "Zuckerguss" für eine Software, die sich mit integriertem Mail-Client, Bittorrent-Support, den Unite Web Server Tools und den Opera Widgets schon bisher äußerst vielseitig gibt.

Mit dabei

Schlussendlich sind es aber vor allem die deutlichen Geschwindigkeitszuwächse, die zum Ausprobieren der neuen Version locken. Das selbstgesteckte Ziel "schnellster Browser der Welt" kann man zwar nicht uneingeschränkt erreichen, immerhin ist man aber zumindest auf Augenhöhe mit Google Chrome angekommen.

Tests

Opera 10.50 kann kostenlos von der Seite des Herstellers für Windows-Rechner heruntergeladen werden. Die Linux- und Mac-Versionen sollen in den kommenden Wochen folgen, wer experimentieren will, kann hier aber natürlich auch die aktuellen Test-Releases ausprobieren. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 07.03.10)

Screenshot: Andreas Proschofsky