Das von fünf Firmen aus Vorarlberg und Tirol konzipierte "Österreich-Haus" in Whistler Mountain soll Passivhausstandards zum Durchbruch verhelfen.

Foto: APG /Ira Nicolai

Rund ein Viertel des erzeugten Stroms wird in Privathaushalten verbraucht und geht häufig in Form von Wärme förmlich beim Fenster hinaus. Immer mehr Häuser kommen schon ganz ohne Heizenergie aus.

Jedem sein eigenes Kraftwerk. In zehn Jahren könnte diese noch utopisch anmutende Forderung Realität sein, zumindest bei Neubauten. Laut einer Richtlinie der EU-Kommission vom Dezember 2009 sollen ab 2020 alle privaten Neubauten "Nahezu-Null-Energiehäuser" sein. Für öffentliche Gebäude soll das ab 2018 gelten.

Noch strenger gibt sich Kalifornien. In dem nach Einwohnern größten Bundesstaat der USA soll jedes ab 2020 neu errichtete Gebäude nicht nur nahezu, sondern effektiv ein Nullenergiehaus sein.

Dass energieautarke Häuser, die ohne externe Heizenergie auskommen, schon heute funktionieren, lässt sich zigtausendfach demonstrieren. Deutschland und Österreich sind dabei Vorreiter.

Das erste nach Passivhausstandards errichtete Gebäude wurde in Darmstadt errichtet. Ein schwedischer Ingenieur und ein deutscher Physiker hatten 1989 die Idee, dem abstrakten Begriff der Energieeffizienz etwas Konkretes gegenüberzustellen – ein Haus. Dieses sollte so konstruiert sein, dass es kaum Heizenergie benötigt. Seit 2001 gibt es dieses Haus. Es verbraucht tatsächlich weniger als ein Zehntel der Heizenergie eines konventionellen Gebäudes.

Forschung auf Hochtouren

Inzwischen wurde die Forschung mit erheblichem Aufwand vorangetrieben. Unternehmen wie BASF haben hunderte Mitarbeiter abgestellt, um innovative Lösungen zum Dämmen der Gebäude zu entwickeln.

"Der Trend bei uns ist ungebrochen", sagte der Geschäftsführer der IG Passivhaus Österreich, Günter Lang, dem STANDARD. Waren es anfangs insbesondere Einfamilienhäuser, die nach dem Passivhausstandard errichtet wurden, sei nun ein klarer Trend zum großvolumigen Bau erkennbar.

Was versteht man unter einem Passivhaus? In der Regel ein Gebäude, das über eine Lüftungsanlage verfügt und aufgrund seiner guten Wärmedämmung ohne klassische Heizung auskommt. Der Großteil des Wärmebedarfs wird aus "passiven" Quellen (Sonneneinstrahlung, Abwärme) gedeckt.

Ende 2009 gab es in Österreich rund 6200 Passivhäuser mit einer Bruttogeschoßfläche von rund vier Millionen Quadratmetern. Das entspricht etwa 560 Fußballfeldern. "Müsste man diese Gebäude konventionell beheizen, wäre eine Erdgassäule in der Größe eines Fußballfeldes und hoch wie der Mount Everest notwendig." Die höheren Errichtungskosten von zwei bis fünf Prozent gegenüber dem heutigen Durchschnittsstandard seien rasch amortisiert.

Falsche Effizienzberechnung

Doch es gibt auch kritische Stimmen. In einer am Institut für Gebäude und Energie der TU Graz gemachten Studie über Doppelfassaden wurde gezeigt, dass es rund 25 Jahre dauert, bis die Energie, die für die Produktion des Dämmmaterials aufgewendet wurde, über reduzierte Betriebskosten wieder eingespielt ist. Effizienzberechnungen müssten auch den Energieverbrauch einbeziehen, der bei der Herstellung von dreifach verglasten Fenstern, Dämmstoffen, Haustechnik und Lüftungssystemen draufgingen.

In Österreich macht man sich unterdessen Hoffnung auf ein lukratives Exportgeschäft. Grund ist das nach Passivhausstandards errichtete Österreich-Haus, das anlässlich der Olympischen Spiele als Österreichertreff im kanadischen Whistler Mountain dient – das erste effektiv energiesparende Gebäude Kanadas. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.2.2010)