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In Österreich gibt es rund 270 verschiedene Lehrberufe.

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Über fünf Jahre hinaus sei eine Prognose nicht möglich, so Leo Hödl. Die individuelle Zukunft sei über die Wirtschaftlichkeit zu stellen.

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Die Verdienstmöglichkeiten geben selten den Ausschlag für einen Lehrberuf, so Gabriele Halbauer.

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Der Frage, welcher Lehrberuf Zukunft hat, weicht Leo Hödl aus. „Die Zukunftsfrage ist ausschließlich im Hinblick auf die jeweilige Person zu sehen", so der Leiter des Berufsinformationszentrums der Wiener Wirtschaft (BIWI) in Wien. Man könne keine Pauschalurteile treffen. Natürlich gäbe es auch Berufe, die derzeit mehr nachgefragt oder von der Wirtschaft benötigt werden, doch der individuelle Wunsch sei über die Wirtschaftlichkeit zu stellen. Gerade im Berufsbildungsbereich könne man keine Prognose über fünf Jahre hinaus wagen, so Hödl mit Verweis auf die derzeitige Wirtschaftskrise.

„Leidensdruck" der Unternehmen führt zu neuen Lehrberufen

In Österreich gibt es ungefähr 270 Lehrberufe, wobei nicht alle Berufe überall erlernt werden können. In Wien können derzeit rund 170 Lehrberufe in 4800 Betrieben erlernt werden. Insgesamt 18.293 Jugendliche absolvierten 2008 eine Lehre in Wien, die meisten davon im Gewerbe. 128.300 Lehrlinge gibt es österreichweit. Die Zahl der Lehrberufe ist über Jahre hinweg stabil. Neue Lehrberufe gäbe es vor allem dort, wo der „Leidensdruck" der Unternehmen besonders hoch sei, so Hödl. Andere werden nicht mehr nachgefragt oder werden zusammengelegt.

So versucht die ÖBB derzeit den Lokführer als Lehrberuf zu etablieren. Auch andere Unternehmen versuchen für sie zugeschnittene Lehrberufe einzusetzen, aber auch aus Arbeitsschutzgedanken werden Lehrberufe neu geschaffen, so zum Beispiel beim neugeschaffenen Lehrberuf im Bereich zahnärztliche Fachassistenz. Insgesamt gibt es ungefähr 20.000 Berufsbezeichnungen in Österreich, viele Berufe haben keine Lehrausbildung.

Alternative zu „exotischen Berufen" überlegen

Dass es für manche Berufe wenige Lehrstellen oder viele Bewerber gibt macht die Wunscherfüllung freilich schwer. Eine Zukunft für die einzelne Person gäbe es aber auch in diesen Berufen, meint Hödl. Dennoch sollte man sich, wenn der erste Berufswunsch ein „exotischer Beruf" ist, eine Alternative überlegen. Oft gibt es verwandte Berufe die eine ähnliche Tätigkeit fordern. Jugendliche neigen jedoch dazu, sogenannte „Modeberufe" anzusteuern. Dort sei jedoch die Gefahr groß, dass „man trotz bester Eignung" nichts findet. Grundsätzlich - so Gabrielle Halbauer vom Berufsberatungszentrum des Arbeitsmarktservice (BIZ) im 6. Wiener Gemeindebezirk - sind die wirtschaftlichen Aussichten im Dienstleistungssektor oder im technischen Servicebereich gut.

Traumberuf KFZ-Techniker

Lehrberufe wie beispielsweise Finanzdienstleistung, Mechatronik, Elektroenergietechniker oder Prozessleittechniker sind gefragt. Besonders überlaufen ist die Lehre zum KFZ-Techniker, ein Traumberuf für viele meist männliche Jugendliche. Beim Friseurberuf - oft auch als überlaufen tituliert - lassen sich in Wien sehr wohl Lehrstellen finden, 2009 gab es sogar nicht besetzte Lehrstellen, so Halbauer. Hier ist der Lehrstellenmangel ein Mythos.

Es gibt auch Branchen, die keine Lehrlinge finden, beispielsweise Schlosser, Fleischer, Einzelhändler - von manchen großen Ketten abgesehen. „Der Trend zu Betrieben mit klingenden Namen hält nach wie vor an", sagt Hödl zu der Betriebswahl der Jugendlichen. Es würden Betriebe angesteuert, weniger Berufe. Für Jugendliche besteht aber auch die Möglichkeit - bei rechtzeitiger Anmeldung - sich beim AMS für eine überbetriebliche Lehrausbildung zu bewerben.

„Unsere Gesellschaft braucht aber auch Hilfsarbeiter"

Die Wirtschaftskammer hat erhoben welche zukunftsbezogenen Anforderungen abgesehen von den persönlichen Interessen oder Schulnoten für die Ausbildner wichtig sind: Neben einer lebenslangen Weiterbildungs- und Lernbereitschaft und EDV-Kenntnissen sind Präsentationstechniken, Teamfähigkeit und projektorientiertes Lernen seitens der Arbeitsgeber gefragt.

Ohne entsprechende schulische Leistungen ist die Basis für einen Lehrberuf jedoch nicht gegeben, so die Experten: „Nicht jeder Jugendliche ist im Stande einen Lehrberuf zu ergreifen. Zunächst sollte man versuchen nachzuschulen. Unsere Gesellschaft braucht aber auch Hilfsarbeiter, und deren Arbeit ist etwas wertvolles", so Hödl. Hilfsarbeitern wie Lehrlingen werde in der Gesellschaft zu wenig Wertschätzung entgegen gebracht. Ohne Lehre seien - so Halbauer - aber die Zukunftschancen schlecht. 21,1 Prozent der Arbeitslosen hätten höchstens einen Pflichtschulabschluss.

Image, Verdienst und Ansehen entscheiden über Auswahl

Erfahrungsgemäß werden die angehenden Lehrlinge von der „peer group" oder den Eltern in ihrer Wahl beeinflusst. Eine große Rolle im ersten Entscheidungsprozeß spielt neben dem Verdienst auch das „Image" des Lehrberufs, so Hödl. Auch Halbauer unterstreicht die Rolle des „Ansehens" des Berufes im Bekanntenkreis. Neben der Selbsteinschätzung kann die Fremdeinschätzung bei der Entscheidungshilfe beraten. „Oft sieht man selbst nicht, was man gut kann", so Halbauer." (seb, derStandard.at, 17.2.2010)