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Lidl setzt sich für Mindestlöhne im deutschen Handel ein.

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Mit einem überraschenden Vorstoß gibt Lidl, der zweitgrößte deutsche Discounter, der Debatte um Arbeitsbedingungen im Einzelhandel in Deutschland eine neue Wendung. In einem Brief an den Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel schreibt der Chef der Lidl-Muttergesellschaft Klaus Gehrig, dass Lidl grundsätzlich für die Einführung von Mindestlöhnen im Einzelhandel sei. Damit lasse sich vor allem der Missbrauch von Lohndumping unterbinden.

Sollte sich der Vorschlag durchsetzen, wäre der Handel damit nach dem Bau, den Gebäudereinigern und der Abfallwirtschaft der größte Wirtschaftzweig mit einem Branchenmindestlohn in Deutschland. Hintergrund dieses Vorschlags ist die Bemühung des Einzelhandels um einen neuen Tarifvertrag. Der alte Branchentarifvertrag stammt nämlich noch aus der Wirtschaftswunderzeit. Auf Basis eines neuen Vertrags könnten die Tarifparteien beim Bundesministerium beantragen, dass dieser für alle Unternehmen der Branche verbindlich wird.

Handelsunternehmen grundsätzlich aufgeschlossen

Wie die Financial Times Deutschland berichtet, stehen mehrere andere Handelsunternehmen dem Vorschlag positiv gegenüber. Auch der Einzelhandelsverband HDE und die Gewerkschaft Verdi zeigten sich aufgeschlossen, wollten sich aber nicht festlegen. Das größte deutsche Handelsunternehmen Metro ist zwar für eine tarifliche Vereinbarung, aber "strikt gegen staatliche Mindestlöhne".

Es bleibt allerdings die Fragestellung offen, wie hoch der Mindestlohn sein soll. Bisher werden in tarifgebundenen Unternehmen je nach deutschem Bundesland im Minimum zwischen sieben und 8,80 Euro pro Stunde gezahlt. Der Lohn für eine ausgebildete Kraft im Einzelhandel liegt bei zwölf Euro pro Stunde.

Lidl versucht Ruf zu verbessern

Lidl wurde immer wieder für seine schlechten Arbeitsbedingungen kritisiert. Die Gewerkschaft Verdi hatte 2004 und 2006 das "Schwarzbuch Lidl" veröffentlicht, in welchem dem Discounter unter anderem vorgeworfen wurde, die Bildung von Betriebsräten zu verhindern. Das deutsche Magazin stern deckte 2008 auf, dass Lidl seine Mitarbeiter während der Arbeit bespitzelt hatte. Im April 2009 wurde außerdem bekannt, dass das Unternehmen Informationen über Krankheiten von Mitarbeitern protokolliert hat. Mit der Forderung nach einem Mindestlohn versucht Lidl nun, seinen angeschlagenen Ruf zu verbessern.

Mindestlohn in Österreich

Während in Deutschland nur in wenigen Branchen Mindestlöhne bestehen, gibt es in Österreich innerhalb der Kollektivverträge einen Mindestlohn in der Höhe von 1000 Euro brutto - ausgenommen davon sind Lehrlinge und Praktikanten. Bereits 2007 haben der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Wirtschaftskammer Österreich die Vereinbarung getroffen, und seit Jänner 2009 darf in Österreich keine Vollzeit-Arbeitskraft weniger als 1000 Euro brutto verdienen. (red/ derstandard.at)