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Eine Sonneneruption (engl. "solar flare"), aufgenommen von der TRACE-Sonde ("Transition Region And Coronal Explorer") der NASA am 8. November 2000.

Foto: APA/EPA/NASA

Laut der Wettervorhersage der nächsten drei Jahre steigt die Temperatur um 0,1 bis 0,2 Grad. Und das rund um die Uhr, zu jeder Jahreszeit. Schuld daran ist nicht der Haarfön oder das Auto, sondern die Sonne. Forscher am Institut für Geophysik, Astrophysik und Meteorologie (IGAM) der Universität Graz, unter der Leitung von Arnold Hanslmeier, haben herausgefunden, dass der heiße Stern nach rund vier Jahren relativer Ruhe wieder aktiver geworden ist, was sich am Auftauchen zahlreicher neuer Sonnenflecken zeigt.

Alle elf Jahre kommt es zu einem zyklischen Wechsel zwischen hoher und niedriger Sonnenaktivität. Mit 20. Jänner diesen Jahres wurde der 24. Sonnenzyklus eingeleitet, seit man vor rund 250 Jahren mit der systematischen Aufzeichnung begann. "An diesem Tag haben wir die ersten großen Flares, also Sonnenaktivität, seit rund zwei Jahren beobachtet", erklärt Werner Pötzi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Observatorium Kanzelhöhe des Instituts.

Bis dahin mussten die Wissenschafter vor allem eines sein: geduldig. Seit 2006 gab es nur sehr wenig Sonnenfleckenaktivität. "In Anbetracht der letzten Aktivitätszyklen ist das durchaus etwas Außergewöhnliches", sagt Pötzi und fügt hinzu, dass ein ähnliches Aktivitätsminimum gut 100 Jahre zuvor aufgezeichnet worden ist.

Der Begriff Zyklus darf in diesem Punkt nicht vorschnell angewandt werden. Die Forscher gehen zwar von einem Aktivitätsmaximum im Jahre 2013 aus, doch "wegen der starken Schwankungen der Intensität der Sonnenaktivität von einem Zyklus zum anderen ist jede Prognose, wann das nächste Aktivitätsmaximum sein wird, mit großer Unsicherheit behaftet", erklären die Forscher. Zieht man Ergebnisse der Vergangenheit zurate, nimmt die Zyklenintensität seit 1959, dem ersten starken Zyklus, weiter ab.

Aber wie misst man diese Zyklen? Pötzi: "Man zählt die Sonnenflecken ab. Was dabei herauskommt, ist aber immer eine Relativzahl." Als Prognose hieße das: Wenn der Zyklus vor 60 Jahren noch einen Wert von ungefähr 200 hatte, wird der nächste Zyklus nur mehr bei 100 Sonnenflecken gemessen werden können. Flares zählen zu den stärksten Aktivitäten der Sonne in Form von hochenergetischer Sonnenstrahlung und der Beschleunigung von geladenen Teilchen auf Bruchteile der Lichtgeschwindigkeit. Sie treten in jenen Regionen auf, wo Sonnenflecken aktiv sind.

In Zusammenhang mit Flares können ebenso koronale Massenauswürfe austreten: riesige Wolken an magnetisierter Sonnenmaterie, verursacht durch Instabilitäten in den starken Magnetfeldern, die mit Millionen von Stundenkilometern in den interplanetaren Raum katapultiert werden. Sie können enorme Störungen unseres Weltraumwetters ("space weather") bewirken sowie verheerende Auswirkungen auf Satellitenbahnen, Funkverkehr und GPS mit- bzw. nach sich ziehen.

Geladene Teilchen als Gefahr

Sobald man Sonnenaktivität wahrnimmt, ist es bereits zu spät. Das Licht der Sonne, das auch Röntgenstrahlen mittransportiert, braucht rund 8,3 Minuten bis zur Erde. Bei einem sehr großen Ausbruch sei etwa für die Besatzung der ISS die Gefahr bereits da, bevor man überhaupt etwas wahrnehmen würde.

Auch geladene Teilchen wie Protonen erreichen die Erde. Sie benötigen für die Distanz von rund 150 Mio. Kilometern 40 Stunden. "Sie sind besonders für Satelliten gefährlich, da sie sich ähnlich wie Strom verhalten und Teile von Satelliten aufladen oder sogar zerstören können", erklärt Pötzi. "Das können wir voraussagen, sodass die Satelliten gedreht oder ganz ausgeschaltet werden können." Eine Vorsichtsmaßnahme, die mehrere Millionen Euro teure Technik retten kann.

Ihre Beobachtungen machen die Forscher vom Observatorium Kanzelhöhe auf der Gerlitzen in Kärnten aus. Es ist in ein internationales Netz von Sonnenobservatorien eingebunden. Der Standort bietet Vorteile: 2009 war die Kanzelhöhe der Ort mit den meisten Sonnenstunden in Österreich. Andere Observatorien oder Sonden wie das Solar and Heliospheric Observatory (kurz: SOHO) der Esa und Nasa sind aufgrund von Kalibrierungsarbeiten nicht immer in Betrieb. "Die Station liefert regelmäßig Daten und beobachtet die Sonne das ganze Jahr über", erklärt Pötzi.

Technisch einzigartig ist die Ausstattung des Observatoriums. In hoher Kadenz werden zehn Bilder pro Minute aufgezeichnet: Zum einen im weißen Licht-Spektrum, das mit freiem Auge erkennbar ist, wenn man in die Sonne blinzelt, zum anderen im H-Alpha-Bereich, das ist die hellste Spektrallinie des ionisierten Wasserstoffs (chemisches Symbol: H) im sichtbaren Licht. Gerade wird ein Instrument gebaut, schildert Pötzi, "das es uns erlaubt, Aktivitätszonen in Magnetfeldern mittels Kalziumlicht zu beobachten. Wir erfüllen im Global H-Alpha Network - eine Kooperation bzw. ein Zusammenschluss von sechs Observatorien weltweit - einen wichtigen Teil in der Hoffnung, die Sonne größt- und bestmöglich zu beobachten." Um genau erkennen zu können, was auf dem Feuerplaneten so alles los ist, bräuchte man 25 Stationen. Mindestens. (Martin Frank Walpot/DER STANDARD, Printausgabe, 17.02.2010)