Für das aktuelle Ringen um die Nachfolge des derzeitigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, wäre die Bezeichnung Postenschacher eine ziemliche Untertreibung. Angefangen hat alles mit der Bestellung der neuen EU-Kommission samt Außenminister sowie des neuen Ratspräsidenten. Angela Merkel hielt sich mit deutschen Begehrlichkeiten auf Spitzenposten auffällig zurück, was Spekulationen nährte, dass Berlin auf die Trichet-Nachfolge spitze. Mit dem Chef der Bundesbank, Axel Weber, glaubt die führende Euro-Nation auch einen geeigneten Kandidaten im Talon zu haben.

Merkel legte sich eine atemberaubende Strategie zurecht, um den italienischen Rivalen aus dem Rennen zu werfen: Mario Draghi soll durch die anstehende Installierung eines Portugiesen als Vizepräsident verhindert werden. Dann nämlich würde ein Italiener als EZB-Chef das Gleichgewicht zugunsten Südeuropas stören, so das Kalkül. Der Weg für Weber wäre frei. Blöd nur, dass diese Taktik niedergeschrieben wurde und den Weg in die Öffentlichkeit fand. Merkel in den Fußstapfen Machiavellis, nur dass der Kanzlerin die Schuhnummer des Intriganten zu groß ist.

Schaden nimmt bei dem Ränkespiel vor allem die EZB. Die Diskussion über die Nachfolge des noch eineinhalb Jahre amtierenden Trichet untergräbt dessen Autorität. Als hätte die Eurozone, die gerade gegen einen Kollaps einiger Mitglieder kämpft, keine anderen Probleme. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2010)