Claudia Reiterer

Foto: ORF/Thomas Ramstorfer

Man soll die Ballnacht nicht vor dem letzten Interview loben. ORF-Lady Claudia Reiterer sah Rot, behauptete "Österreich" in seiner Freitag-Ausgabe, aber nicht, weil irgend etwas den Zorn der ORF-Lady erregt hatte, ganz im Gegenteil: Die ORF-Lady meisterte ihr Debüt am Opernball trotz enormen Lampenfiebers souverän in ihrer roten Traumrobe. Bei dieser Einschätzung wäre es vielleicht geblieben, hätte nicht youtube dreingepfuscht. Da konnte - zwei Tage später - auch "Österreich" nicht mehr schweigen und rückte mit der Korrektur heraus: 23 Sekunden genügten, um das Opernball-Debüt von Claudia Reiterer entgleiten zu lassen.

Ein Opernball-Debüt souverän zu meistern, und dennoch entgleiten zu lassen, und beides in derselben roten Traumrobe, ist ein Widerspruch, den das Blatt nur auf Hybris zurückzuführen vermochte. Dass die Textsorte Opernball-Englisch das Schicksal auf den Plan ruft, kommt leider zu selten vor, lag in diesem Fall aber nahe. Dabei hat sich noch niemand dem Problem gestellt, ob diese Frage der ORF-Lady an Originalität verloren hätte, wäre sie in tadellosem Oxford-Englisch oder gar auf Deutsch gestellt worden: "Lingeries is in effect woman underwrapping. Do you imagine, is it wrapping to be opened as a man or do you design it for the woman herself?"

Hybris, weil: Noch wenige Minuten vor dem schicksalsträchtigen Interview mit Dessous-Designerin Chantal Thomass war die gebürtige Steirerin der heimliche Star des Abends. In ihrer wunderschönen roten Robe des Wiener Labels Stoffwerk ließ sie so manche Society-Lady alt aussehen. Wenn die Götter, die sich erfahrungsgemäß lieber auf die Seite so mancher Society-Lady schlagen, eine gebürtige Steirerin zum heimlichen Star des Abends aufsteigen sehen, greifen sie ein, im gegebenen Fall umso heftiger, als die ORF-Lady auch einen der Ihren zu entweihen drohte: Im eloquenten Talk mit Spitzenpolitikern spielte die ehemalige Moderatorin des ORF-Magazins "Report" selbst Opernball-Routinier Alfons Haider an die Wand. Der rächende Blitz - egal, ob nun woman underwrapping is to be opened as a man oder umgekehrt - schlug voll in der Englischabteilung des Sprachzentrum der Lady ein, was neben einem pädagogisch wertvollen Kommentar im "Standard", in dem stante pede Englisch auf Weltniveau gefordert wurde, auch einen gravierenden Effekt hatte: Mit dem, was sie für Englisch hielt, übertraf sie sogar Bambis Busenblitzer. Das zu schaffen, müssten andere sich schon sehr bemühen, umso mehr, als diese Übertrumpfung eines Busenblitzers nicht geplant war. Irgendwer muss gewusst haben, dass die Lady in Red eine Schwachstelle hat - und stieß sie dennoch eiskalt in den Fettnapf.

Wer dieser Schurke sein könnte, verriet "Österreich" bisher nicht, aber seine Enthüllung exklusiv ist nur eine Frage der Zeit. Er muss in diesem Nest auf dem Küniglberg sitzen, dem auch ein Dominic Heinzl entschlüpft ist. Der stieß in bisher unentdeckte Gebiete der Gesellschaftsberichterstattung vor, indem er den niederösterreichischen Landeshauptmann als lustiges Kerlchen vorstellte, aber vorsichtshalber auf deutsch. Wenn ihm das nur der neue Finanzdirektor des ORF nicht krumm nimmt! Der wird nun vielleicht gefragt, wozu er von der Partei des lustigen Kerlchens dort hineingedrückt wurde, wenn dann so über einen Möchtegern-Bundespräsidenten gesprochen wird. Is it wrapping to be opened as a man?

Aber anders als die Lady in Red ist Heinzl weit davon entfernt, für seine stimmungsvolle Beschreibung des Onkels vom Vizekanzler von jemandem eiskalt in den Fettnapf gestoßen zu werden. Im Gegenteil, "Österreich" überkugelte sich, ihn als den härtest arbeitenden Leistungsträger des Landes zu glorifizieren. Dominic Heinzl war der einzige Logenbesitzer am Opernball, der keine Zeit zum Feiern hatte. Denn Österreichs Society-Reporter Nr. 1, auch Kolumnist in Fellners Diensten, hatte gestern einen Marathontag zu bestreiten.

Nicht er allein. "Österreich" begleitete Dominic Heinzl. Und der wiederum: Nach der Eröffnung heftete sich Dominic Heinzl bis vier Uhr früh an die Fersen des von ihm verkabelten Ioan Holender. "Ich blieb den ganzen Abend an Holender dran, denn wo er ist, ist auch die Action", so Heinzl über die Ballnacht. Mit ihm ging Heinzl zum Gottschalk-Interview, immer mit "Österreich" an den Fersen. Schließlich wollte er diesmal seinen persönlichen Zuseher-Rekord brechen. Dafür schuftete er 32 Stunden nonstop. Und warum will kein Mitleid aufkommen? (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 15.2.2010)