Es entstehen bereits wieder Finanzblasen, und das wird wieder teuer werden. Es wäre dabei so einfach: Maßnahmen, die das verhindern, würden helfen, die Staatshaushalte zu sanieren. Vorweg: Die „Hehler“ am Beginn dieser Geschichte sind die Schweizer Banken, die hinterzogenes Geld geheimhalten und davon profitieren, und nicht Rechtsstaaten, denen dieses Geld gestohlen wurde und die sich Informationen über dessen Verbleib beschaffen. Und dennoch merkwürdig: Wenn Minister Schäuble Informationen über österreichische Steuerflüchtlinge in der Schweiz hat, erwartet die österreichische Regierung – zu Recht – „Amtshilfe“. Wenn umgekehrt für Minister Schäuble Kontodaten von deutschen Steuerflüchtlingen bei österreichischen Banken hilfreich wären, verweigert sie den nötigen Datenaustausch.

Laut medial kolportierten Schätzungen liegen in Österreich 70 Milliarden Euro an ausländischen Geldern aufgrund des Bankgeheimnisses. Angenommen, sie würden im Jahr mit durchschnittlich acht Prozent verzinst und die Erträge mit 40 Prozent besteuert, dann entgingen den ausländischen Finanzämtern aus diesem Titel 2,2 Milliarden Euro pro Jahr, Vermögenssteuern noch unberücksichtigt. Eine „Steuerschuld-CD“ aus Österreich wäre also deutlich ertragreicher als jene aus der Schweiz.

Besser noch wäre der überfällige Beitritt Österreichs zur EU-Zinsrichtlinie. 25 von 27 EU-Staaten melden bereits Zinserträge automatisch über die Grenze, nur noch Luxemburg und Österreich ist der nationale Egoismus heiliger als die europäische Kooperation. Die Zinsrichtlinie hat zwar noch riesige Schlupflöcher, diese können aber umso schneller geschlossen werden, je rascher die Letzten mitmachen. Dann erst kann die Forderung an die Schweiz und andere Drittstaaten, als Gegenleistung für den freien Kapitalverkehr die steuerrelevanten Daten herauszurücken, glaubwürdig und ultimativ gestellt werden. (Dann würde sich der florierende CD-Handel erübrigen.)

Werden Kapitaleinkommen genauso selbstverständlich an das Finanzamt gemeldet wie Arbeitseinkommen, können diese endlich auch der Einkommenssteuer unterworfen werden und noch besser auch gleich der Sozialversicherungspflicht. Es ist nicht nur ungerecht, sondern auch ein Anachronismus, in einer Zeit, in der die Kapitaleinkommen einen immer höheren Anteil am Volkseinkommen ausmachen und die Lohnquote schrumpft, Nichtarbeitseinkommen steuerlich besser zu stellen und sie von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Für jene bis zu 150 Millionen Euro, die „46 reiche Familien aus Deutschland und Österreich“ beim Wiederverkauf der Hypo Alpe Adria laut Medienberichten „verdient“ haben, zahlten die österreichischen Investoren a) keinen Cent Steuer und b) keinen Cent Sozialversicherungsbeitrag. Welche „Leistung“ erbringen diese Reichen, dass ihre Einkommen derart geschont werden? Und wie wirkt das auf die steuerzahlende und sozialversicherungspflichtige Masse?

Auch von den Banken bekommt der Staat fast nichts. 2007 betrugen die Konzerngewinne 5,11 Milliarden Euro, die Steuerleistung in Österreich 346 Millionen. Dennoch wehren sich Walther Rothensteiner (RZB), Andreas Treichl (Erste) und Willibald Cernko (Unicredit) wortgewaltig gegen einen Beitrag zur Bewältigung der Krisenkosten – obwohl sie zum Teil Milliardenkredite bei der Allgemeinheit aufgenommen haben.

Gegen eine Bankenabgabe, die an der Bilanzsumme ansetzt, werden vier Argumente ins Treffen geführt: Diese könne a) die Kreditklemme verschärfen, sie sei b) bei Verlust schreibenden Banken kontraproduktiv und würde c) verhindern, dass Banken staatliches Stützungskapital zur Hebung der Kernkapitalquote verwenden, und sie würde d) auf die Kunden abgewälzt. Alle vier – vorgeschobenen – Argumente würden sich erübrigen, wenn die Steuer nicht an der Bilanzsumme ansetzt, sondern bei der Gewinnausschüttung. Die Banken tun so, als hätten sie nur Kunden, aber keine Aktionäre. Die Hälfte der Ausschüttungen sollte solange als Steuer in die Staatskasse fließen, bis a) sämtliche Bankenrettungskosten zurückgezahlt sind und b) sämtliche Filialen der Banken in Steueroasen geschlossen sind. Es ist ein Skandal, dass Banken, die mit Steuergeldern gerettet werden, Filialen in Steueroasen unterhalten und auf diese Weise ihre Steuerleistung drücken dürfen.

Ein dritter Konsolidierungsweg: Die EU könnte sich sämtlicher Haushaltssorgen entledigen, wenn sie endlich die Finanztransaktionssteuer umsetzt. Das Institut für Höhere Studien hat berechnet, dass in einem mittleren Szenario (Steuersatz 0,1 Prozent, Rückgang des Aktienhandels um zehn Prozent und des Derivatehandels um 80 Prozent) ein Steueraufkommen von 270 Milliarden Euro zustande käme. Das ist exakt das Doppelte des EU-Etats: 135 Milliarden Euro. In Österreich würde eine _Finanztransaktionssteuer von 0,3 Prozent jährlich rund 2,5 Milliarden Euro einspielen. In Anbetracht der unmittelbar vor uns liegenden Entwicklungen – a) stark steigende Staatsschulden und Schuldendienst, b) krisenbedingt sinkende Staatseinnahmen, c) höhere Staatsausgaben infolge steigender Arbeitslosigkeit, d) Gemeindenfinanzkatastrophe ab 2011, e) neue Finanzblasen, die bersten und weitere Kosten für die öffentlichen Haushalte bescheren werden – sollten alle genannten Steuermaßnahmen umgesetzt werden. Für dringend nötige Investitionen in die ökologische Wende und soziale Infrastruktur (Pflege, Gesundheit, Bildung) sollten auch Vermögenssteuern herangezogen werden. Leitlinie: Je reicher ein Land ist und je ungleicher dieser Reichtum verteilt ist, desto größer sollte der Beitrag der Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuern zum Staatshaushalt sein.

(Christian Felber, DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2010)