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Rund 80 durch Nanotechnologie modifizierte Lebensmittel oder Lebensmittel-nahe Produkte gibt es Schätzungen zufolge auf der Welt. Emmerich Berghofer erzählt etwa von einem Nano-Joghurt in Japan. (Symbolbild)

Foto: AP/Eckehard Schulz

Britische Wissenschaftler warnen vor dem Einsatz von Nanotechnologie in Lebensmitteln, wie die Nachrichtenagentur Reuters unlängst berichtete. In den nächsten Jahrzehnten würden zwar immer häufiger Nanopartikel in Nahrungsmitteln und Lebensmittel-Verpackungen verwendet, über die Risiken wisse man aber noch zu wenig. Was aber sind Nanopartikel und wie werden sie eingesetzt? Und vor allem: Können sie dem Menschen Schaden zufügen?

Vorweg: Nanopartikel sind Teilchen, die kleiner als 100 Nanometer sind. Besser vorstellen kann man sich das so: Sie sind Millionstel Millimeter winzig, mehrere Tausendmal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Nanostrukturen an sich sind noch nichts Innovatives, wie Emmerich Berghofer, Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie an der BOKU (Universität für Bodenkultur) in Wien gegenüber derStandard.at erklärt: "Der Mensch selbst besteht aus natürlichen Nanostrukturen, auch Lebensmittel, zum Beispiel Stärke, Proteine und alle Polymere sind im Prinzip Nanostrukturen." Der Unterschied steckt im Detail: Der Innovationscharakter kommt erst dazu, wenn die Rede von Nanotechnologie ist, also gezielt Nanostrukturen erzeugt werden. Das kann auf zwei Arten geschehen: Erstens "von unten", wenn Moleküle und Atome strukturmäßig angeordnet werden, so dass Nanopartikel entstehen. Zweitens "von oben", wenn große Partikel zerteilt und so zu Nanoteilchen werden.

Forschung noch in den Kinderschuhen

Die Forschung über den Einsatz von Nanopartikel zur Verbesserung von Lebensmitteln steckt noch in den Kinderschuhen. "Es geht darum, Lebensmittel in irgendeiner Form zu verändern und dadurch Vorteile zu erreichen", erklärt Berghofer. Ein Beispiel: Um eine Emulsion herzustellen, wird üblicherweise Fett fein zerkleinert und anschließend in der Wasserphase emulgiert. Es entstehen Tröpfchen, wobei die feinsten durchaus im Nanobereich liegen. "Wenn man gezielt weiter alle Fetttröpfchen in den Nanobereich hineinbringt, entsteht eine Nanoemulsion, die bestimmte Vorteile haben kann", erklärt Berghofer. Sie könnte durchsichtig sein statt trüb. Durch die größere Oberfläche kann das Fett leichter verdaut werden. Oder die Stabilität ist besser und man braucht weniger Zusatzstoffe. Kurz gesagt: Es geht darum, Lebensmittel schöner, stabiler, gesünder, geschmacksintensiver, kalorienarmer oder länger haltbar zu machen.

Österreich: derzeit nur in Verpackungen

Hier sei aber gesagt: Es existieren derzeit noch keine Produkte dieser Art, zumindest nicht in Österreich. Schätzungen zufolge gibt es derzeit weltweit rund 80 durch Nanotechnologie modifizierte Lebensmittel oder Lebensmittel-nahe Produkte wie etwa Verpackungen. Zwei dieser 80 Produkte seien derzeit in Großbritannien erhältlich, berichtet Reuters. Lebensmitteltechniker Berghofer erzählt von einem Anti-Aging-Joghurt in Japan, das Nahrungsergänzungsmittel in Form von nanokolloidalem Platin enthält. "In Österreich werden Nanopartikel momentan nur in Verpackungen von Lebensmitteln eingesetzt, und auch hier nur ansatzweise", weiß der Wissenschaftler. Verpackungen lassen sich etwa mit Nanosilber beschichten, um Lebensmittel besser vor dem Verderben zu schützen.

Frische-Sensoren als Klebeetikett

An der Fachhochschule Wiener Neustadt haben Forscher vor rund zwei Jahren "Lebensmittel-Frische-Sensoren" entwickelt. Sie könnten beispielsweise in Form eines Klebeetiketts per Farbe anzeigen, ob ein Lebensmittel noch frisch oder nicht mehr genießbar ist. Das Produkt ist jedoch noch nicht marktreif. An der FH distanziert man sich vorerst davon, mit Nanopartikeln direkt in Lebensmitteln zu experimentieren. "Weil noch Studien ausständig sind, die die Harmlosigkeit oder Gefährlichkeit bestätigen", erklärt Roland Palkovits vom Fachbereich Mikrosystemtechnik.

Keine Kennzeichnungspflicht

Derzeit werden in der EU gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die Verwendung von Nanostrukturen in Lebensmitteln zulassungspflichtig zu machen, so Berghofer. Bei Zusatzstoffen in Nanoform ist eine Zulassung bereits vorgeschrieben. Eine Kennzeichnungspflicht existiert für "Nano"-Produkte noch nicht, sei aber für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Unklarheit über mögliche Auswirkungen

Ob der Verzehr von "Nano"-Lebensmitteln nun gefährlich ist, kann man pauschal nicht sagen. Der britische Wissenschaftler Stephen Holgate hat herausgefunden, dass Nanopartikel im Körper Barrieren durchbrechen und ins System, etwa in die Leber, die Nieren oder gar ins Hirn eindringen können, berichtet Reuters. Der Grund dafür: Weil die Partikel derart winzig sind, werden sie im Gegensatz zu größeren körperfremden Teilen in allen Zellen aufgenommen. Was danach geschieht, müsse man in jedem Einzelfall untersuchen, sagt Berghofer. "Was passiert damit im Körper? Können die Partikel im Körper abgebaut werden? Und wenn nicht, wo gehen sie dann hin?" Nanopartikel könnten etwa den Zellkern beschädigen, die Forschung über die möglichen Auswirkungen stehe aber erst in den Anfängen.

Experten warnen zur Vorsicht

Bei einer Tagung der Arbeiterkammer zum Thema Nanotechnologie in Konsumgütern im September 2009 in Salzburg rieten die Experten zu Skepsis. "Bei den Wirkungen der Nanopartikel sind mehr Fragen offen als gelöst", sagte die Chemikerin Susanne Stark vom Verein für Konsumenteninformation. Auch Hans Peter Hutter, Facharzt am Institut für Umwelthygiene Wien, riet zu mehr Forschung in diesem Bereich. Denn: Aus Untersuchungen über Feinstaub oder Dieselruß wisse man, dass ultrafeine Teilchen gesundheitliche Gefahren bergen.

Auch Berghofer verweist auf die bereits bewiesenen Gefahren von Feinstaub und mögliche ähnliche Wirkungen der winzigen Nanoteilchen. Von übertriebener Hysterie hält er nichts - aber ganz ohne Risiko gehe es eben auch nicht. "Das hätten die Konsumenten gerne im Lebensmittel-Bereich. Aber das Null-Risiko wird es auch hier nicht geben." (Maria Kapeller, APA; derStandard.at, 17.2.2010)