Bild nicht mehr verfügbar.

Die Banken an die Leine nehmen: US-Präsident Obama und der britische Premier Brown.

Foto: AP/Monsivais

Großer Schaden, keine Konsequenzen? Wird nach der Krise weitergezockt wie eh und je, ohne Rücksicht auf Verluste? Vordergründig ja. Aber im Hintergrund braut sich ein heftiges Regulierungsgewitter zusammen.

***

Konjunktur- und Bankenspritzen sind verabreicht. Was bleibt, sind die Schulden und der Kollateralschaden am Arbeitsmarkt. Werden nun wenigstens die Lehren aus dem Desaster gezogen? Politische Bekundungen auf höchster Ebene gibt es zuhauf. Eine neue Weltwirtschaftsregierung, Transparenz an den Finanzmärkten, Regeln für jedes Produkt und jeden Markt, Austrocknung der Steueroasen und, und, und.

Hehre Ziele, die da bei den letzten Gipfeln der 20 führenden Industrie- und Schwellenländern diskutiert und im Grunde auch vereinbart wurden. Doch ein Blick auf die Märkte zeigt, wie munter auf den Untergang von Unternehmen oder sogar Staaten spekuliert wird und Banken Milliarden im Investmentbanking scheffeln, während Kredite nach wie vor nur schwer zu bekommen sind. Reformen - von der Bankenaufsicht über die Hedgefonds-Regulierung bis hin zur Beschneidung von Ratingagenturen - werden ebenso engagiert verwässert. Alles Schall und Rauch? Wird weiter gezockt, als wäre nichts gewesen?

Viel Arbeit im Hintergrund

Noch, könnte man sagen. Denn abseits der Sonntagsreden wird eifriger an neuen Regelwerken getüftelt, als der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Denn während Regierungen und Parlamente meist dann einknicken, wenn mächtige Lobbys den Braten riechen, arbeiten internationale Gremien an mehreren Bereichen der Finanzmarktregulierung. Was dort bisher ausgebrütet wurde, hat es in sich. Selbst wenn bei der Umsetzung Abstriche wahrscheinlich sind, gilt ein Totalschaden in der Regulierungsmaschinerie als unwahrscheinlich.

Da wäre etwa das Basel-Komitee, das den Banken massiv zusetzt. Als die Vorschläge des aus internationalen Notenbankern und Finanzmarktaufsehern bestückten Ausschusses im Jänner mit Vertretern des Finanzsektors diskutiert wurden, erblasste so mancher Banker: Das Eigenkapital der Institute soll künftig nicht nur höher sein als bisher, es werden auch noch zahlreiche Kategorien nicht mehr bei der Wertung akzeptiert. Dazu zählen diverse Mischkapitalformen oder Tochtergesellschaften, deren Kapital voll der Mutter zugerechnet wird, obwohl auch andere Aktionäre beteiligt sind. Das klingt nicht nur trocken, sondern sorgt für Dürre in den Bilanzen: Bei Realisierung der Pläne fallen allein die europäischen Banken um 300 Milliarden Euro Eigenkapital um.

In Österreich bangt die Erste Group um zwei Milliarden, die sie sich derzeit von den Sparkassen virtuell in die Bücher holt, obwohl sie nur Beteiligungen hält. Bei Raiffeisen ist die Thematik anders, in der Wirkung aber ähnlich. Unter dem Strich würden die beiden großen Gruppen laut Analysteneinschätzung ziemlich hart an die aktuellen Mindestkapitalgrenzen herabrutschen. Kein Wunder, dass selbst der regulierungsfreudige Notenbanker Ewald Nowotny bereits warnt, dass die geplanten Vorschriften nicht die auf klassisches Kredit- und Einlagengeschäft ausgerichteten heimischen Banken bestraft.

Mindestmaß an Liquidität

Okay, die Geldinstitute brauchen mehr Kapital, aber was soll das an der Spekulationsblase an den Finanzmärkten ändern? Einiges. Banken müssen künftig ihre Einnahmen einem Kapitalpolster zuführen, anstatt ihr Spielgeld-Reservoir aufzufetten. Das wird sich auf Gewinne, Dividenden und Boni auswirken. Weit stärker als die beliebten Bezügegrenzen oder -steuern und die zuletzt besonders populären Bankensteuer-Ansagen. Namhafte Experten wie der Berkeley-Ökonom Barry Eigengreen erwarten sich vom Basel-Vorstoß jedenfalls die größte Wirkung in Sachen Regulierung.

Zumal es nicht bei Eigenkapitalregeln bleibt. Bei Lehman etwa war nicht die Größe, sondern die Komplexität des Geschäfts für den von der Pleite entfachten Flächenbrand ausschlaggebend. Auch hier hakt Basel ein und verlangt eine Art Selbstbehalt für riskante Geschäfte mit der Gegenseite. Wer etwa mit Derivaten handelt, müsste dafür quasi ein Pfand für das damit verbundene Risiko hinterlegen. Damit würde der Anreiz für Verbriefungen deutlich reduziert, weil die Unterlegung mit Kapital kostet und sich so manches Geschäft nicht mehr rentieren wird.

Ein Mindestmaß an Liquidität und ein Höchstmaß an Verschuldung runden das Basel-Paket ab. Auch diese Maßnahmen bedeuten: mehr Vorsorge für Krisenzeiten, weniger Hebel für Wertpapiergeschäfte, weniger Risiko. Parallel dazu setzen mehrere andere Expertengruppen gerade umfassende Standards - von Boni über Bilanzregeln bis hin zu einem Insolvenzrecht für Banken.

Bald fehlt nur noch die strikte Umsetzung. Bei der helfen freilich weder Sonntagsreden noch eine Weltwirtschaftsregierung. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.2.2010)