(Ein Kinosaal. Testscreenig des Melodrams "Marrakesch". In der letzten Reihe, nebeneinander sitzend, der Produzent und seine Gattin.

Auf der Leinwand ein Flugfeld im Nebel. Im Hintergrund eine startbereite Maschine der Air Maroc. Im Vordergrund die Sozialdemokratische Partei Österreichs (dunkles Kostüm, Hut) und André Heller (Trenchcoat, Hut). Heller hat seinen Arm um die Sozialdemokratische Partei Österreichs gelegt. Leise Musik von Streichern.)

HELLER: Ich hatte mir ein Jahr Exerzitien verordnet, um mich quasi neu zu vermessen, mir so tief wie möglich auf den Grund zu gehen, mich nach hohlen Stellen abzuklopfen und wo nötig behutsam nachzujustieren. Ich war viel auf Reisen gewesen an hilfreiche Orte, hatte die ersten 200 Seiten eines Romans geschrieben, Aquarelle gemalt und neun Lieder erarbeitet, für eine eventuelle Veröffentlichung. Und natürlich hatte ich immer wieder meine große Baustelle nahe Marrakesch in Marokko besucht. Dann aber war ich zurückgekehrt zu dir, weil ich dich immer noch liebte. Aber - (er schließt den Arm fester um sie) - wie fand ich dich vor?! Beschämend geistlos, ohne Einsicht, ohne Würde, krasser Mangel herrschte vor an Autorität und Gestaltungswillen. Sofort war mir klar, dass dies das Ende jenes berühmten von Kreisky erbetenen "Stücks eines gemeinsamen Weges" war.

(Nahaufnahme der Gesichter. Tränen rinnen über die Wangen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs.)

HELLER: Darum gehe ich zurück nach Marrakesch, wo ich mich bemühe, auf einem Areal von siebeneinhalb Hektar meine bisherige Lebenserfahrung und das mir bewusste Wissen meiner Seele auf sinnlichste Weise dreidimensional erfahrbar werden zu lassen. Unter anderem in Form von zwölf sehr unterschiedlichen Gebäuden, einem Paradiespark, Kunstinstallationen, Heilräumen, Wasserspielen, Labyrinthen, einer Ausstellungshalle, Ateliers, Wunderkammern, einer kleinen Farm und 5000 m² Kräutergarten. Teile davon werden eines Tages fürs Publikum geöffnet werden, weil ich immer gerne meine Vorstellungen von Schönheit, Kraft und Ermutigung mit anderen teile. Nun adieu.

(Er wendet sich ab und geht zum Flugzeug. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs, ihre Tränen niederkämpfend, blickt ihm nach. Die Kamera fährt zurück. Die Streicher lauter. Der Schriftzug "Ende" erscheint. Der Vorhang geht zu, das Licht im Saal an.)

PRODUZENT: Großartig, nicht? Erst der Monolog, dann ihre Tränen, und wie er sich trotzdem abwendet und einfach geht, und niemand weiß, wird er je wieder zurückkommen aus Marrakesch ...

GATTIN: Warum kommt mir das so bekannt vor?

PRODUZENT: Weil es ein Remake ist. Ein Adieu, Falterfilm 2008. Wundert mich, dass du den gesehen hast. Billigsdorferproduktion, aber nicht schlecht gemacht. Manche Dialoge haben wir wörtlich übernommen. Und jetzt ist es richtig großes Kino.

GATTIN: Nein. Schlechte Schauspieler. Man hätte den Heller nie mit Heller besetzen dürfen.

PRODUZENT: Muliar ist halt leider schon tot.

GATTIN: Aber Alfons Haider lebt noch.

(Vorhang)