Pirmasens/Berlin - 20.445 Euro. Diese Summe an Schulden hatte am Freitag statistisch gesehen jeder der 82 Millionen Deutschen, egal, ob er gerade geboren wurde oder bereits ein Konto führt. Heute, Samstag, werden es schon wieder ein paar Cent mehr sein, denn die Staatsverschuldung steigt permanent.

Dass sie eine solch imaginäre Last auf ihren Schultern tragen, wissen die meisten der jungen Menschen, die zu Sabine Groh kommen, gar nicht. Sie haben genug mit ihren eigenen Schulden zu kämpfen. Groh ist Schuldnerberaterin in Pirmasens, und die 41.000-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz hält deutschlandweit einen negativen Rekord: Dort, wo bis 1970 die Schuhindustrie boomte, herrscht jetzt hohe Arbeitslosigkeit und ist die private Verschuldung am höchsten.

"In den vergangenen Jahren sind jene, die sich verschulden, immer jünger geworden", sagt Groh. Meist beginnt die Misere mit einem Handyvertrag. Kaum 18 geworden, wird schon der erste eigene unterzeichnet. Dass Telefonieren auch heute noch etwas kostet, hat sich jedoch noch nicht überall herumgesprochen. "Man bezahlt nicht, dann kommt der Brief vom Anwalt, schließlich vom Inkassobüro. So kann aus einer 200-Euro-Rechnung schnell mal eine Belastung von mehr als 1000 Euro werden", beschreibt Groh das klassische Einstiegsszenario.

Zudem gibt es auch abseits von Handy und Internet allerlei Verlockungen: Den Fernseher aus dem Katalog A, die neue Küche aus dem Katalog B. Der Generation der Großeltern war noch klar: Wenn ich mir etwas leisten möchte, dann muss ich zuerst dafür sparen. Heute jedoch herrsche vielerorts ein ganz anderer Glaube, meint Groh: "Konsumiert wird sofort, bezahlt erst später." Nicht nur Jugendlichen suggerieren Firmen, dass es kein Problem sei, zunächst kein Geld zu haben.

Der Schock kommt dann in der Schuldnerberatung. Groh: "Die Leute haben meist den Überblick verloren und fallen aus allen Wolken, wenn sie zum ersten Mal zusammenrechnen, auf wie vielen offenen Rechnungen sie sitzen." Um überhaupt wieder aus der Misere herauszukommen, helfe nur eines: eisernes Sparen und das Eingeständnis, dass man sich im Moment nichts leisten kann.
Wäre ganz auf Kredite zu verzichten eine Alternative? Davon hält Groh auch nichts: "Man sollte den Mittelweg nehmen. Wer ein Haus bauen will, kommt nicht darum herum. Aber für Extras wie den Urlaub oder den neuen Fernseher sollte man flüssig sein." (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 13./14. Februar 2010)