Polen hat, wie von Ökonomen seit Monaten prognostiziert, das Jahr 2009 nicht nur als einziges Land der Europäischen Union mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes abgeschlossen, sondern auch die Erwartungen übertroffen. Der vorläufige Bericht des Statistischen Zentralamtes (GUS) weist dem sechstgrößten EU-Land im Vorjahr ein Wachstum vom 1,7 Prozent (Schätzung der EU-Kommission: 1,5 Prozent aus) aus.

Dass Polen von der Wirtschaftskrise nicht so hart wie viele andere getroffen wurde, ist für Mark Allen, Regional Representative des Internationalen Währungsfonds, eine Mischung aus "guter Politik und Glück" . "Polen hat zu Beginn des letzten Jahrzehnts eine ziemlich restriktive Politik geführt, und das führte dazu, dass der Aufschwung hier nicht außer Kontrolle geraten ist" , sagte Allen im Gespräch mit dem Standard. In Polen kam es - anders als in anderen Ländern wie Ungarn - nicht zu dieser rasanten Entwicklung des Kreditvolumens. "Wir haben hier auch nicht das schnelle Wachstum bei Fremdwährungskrediten gesehen" , sagte Allen. Dadurch sei Polen von Kredit- oder Immobilienblasen verschont geblieben.

Export und Konsum stützten den polnischen Zloty. Dieser hat sich im Vorjahr mit einem durchschnittlichen Wechselkurs von 4,3 (2008: 3,5) gegenüber dem Euro positiv auf die Exporte ausgewirkt. Die Inlandsnachfrage, seit Jahren eine der tragenden Säulen des polnischen Wirtschaftswunders, ist 2009 um 0,3 Prozent gesunken (2008: plus 5,0 Prozent), die Konsumausgaben stiegen aber um zwei Prozent.

Leicht rückläufig zeigte sich die Entwicklung der Investitionen. So sank die Investitionsrate im vergangenen Jahr auf 21 Prozent nach 22,1 Prozent. Für das laufende Jahr rechnet die polnische Regierung unter Donald Tusk mit einem BIP-Zuwachs von 1,2 Prozent. Außerdem, so Allen, hat Polen den Staatshaushalt unter Kontrolle gehalten. Die Staatsschulden erreichten 2009 einen BIP-Anteil von etwa 51 Prozent (EU-27-Durchschnitt: 73 Prozent).

Der Preis dieser konservativen Haltung der Politik war ein vergleichsweise nicht schnelles, dafür stetiges Wirtschaftswachstum. Ein weiteres Plus für Polen waren in den letzten Jahren Transferzahlungen der EU, die vor allem den Infrastrukturbereich stützten. So hat Polen in einem nationalen Masterplan für die Jahre 2008 bis 2012 den Ausbau des Autobahn- und Schnellstraßennetzes um 3000 Kilometer projektiert.   (Herbert Dietrichstein aus Warschau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.2.2010)