Eiweißdiäten werden Muskelabbau, Gichtanfälle und eine erhöhte Belastung der Nieren nachgesagt.

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3D-Lagerfeld, Humplik oder Max-Planck - Bei der Namenswahl von Eiweißdiäten sind der Kreativität offenbar keine Grenzen gesetzt. Unterschiedliche Namen für ein gemeinsames Ernährungsprinzip: Schlank werden mit Hilfe von Eiweiß, Eiweiß und noch mal Eiweiß. Ob spezielle Proteinpräparate oder aber Fleisch, Fisch und Käse vornehmlich den Speiseplan zieren, ist dabei völlig egal. Hauptsache die Kilos purzeln und das tun sie bei eiweißbetonten Schlankheitskuren angeblich besonders leicht. Ein vermeintlicher, wie kurzfristiger Erfolg, der auch gewisse Risiken mit sich bringt: Muskelabbau, Gichtanfälle und eine erhöhte Belastung der Nieren bringen Eiweißdiäten immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik.

Die Eiweißdiät funktioniert, predigen Verfechter dieser Abmagerungskuren und liegen damit vordergründig betrachtet nicht ganz so falsch: Zum einen: Eiweiß macht außerordentlich und über einen relativ langen Zeitraum satt. Und nicht zu vergessen: Die klassische Eiweißdiät spart auch an Kohlenhydraten, dem wichtigsten Energieträger der Nahrung. Ein Defizit, das der menschliche Organismus, unter anderem aus den eigenen Fettreserven bezieht.

Stoffwechseloptimierungsprogramm

Klingt logisch und einfach, ist es bei genauerer Betrachtung aber nicht: Denn, wie der menschliche Organismus mit der Verstoffwechselung seiner Hauptnährstoffe (Makronährstoffe) Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten im Detail verfährt, ist alles andere als simpel und würde an dieser Stelle wohl etwas zu weit führen. Nur soviel: Um dem Ziel der bestmöglichen Aufrechterhaltung sämtlicher Körperfunktionen am nächsten zu kommen, sind die Ernährungsempfehlungen klar definiert. Gesund bleibt am ehesten, wer 10-15% Eiweiß, maximal 30% Fett, und 55-60% Kohlenhydrate über den Tag verteilt isst.

Bietet die Nahrung von dem einen oder anderen Makronährstoff, mehr beziehungsweise weniger an, dann optimiert der Organismus klugerweise sein Stoffwechselprogramm, um beispielsweise auch weiterhin für einen konstanten Blutzuckerspiegel zu sorgen. Grenzenlos strapazierbar sind seine Möglichkeiten allerdings nicht.

Eiweißmangel trotz Überangebot

Im Fall der Eiweißdiät, die wie erwähnt zumeist auch mit einer Reduktion der Kohlenhydrate einhergeht, passiert laienphysiologisch betrachtet folgendes: Keine Nudeln, kein Brot und keine Kartoffeln lassen den Körper vorerst auf körpereigene Kohlenhydratreserven in der Leber (Glykogen) zurückgreifen. Erschöpft sich dieser Speicher, dann hat der Organismus einen weiteren Trumpf im Ärmel. Er produziert Zucker (Glukose) aus Muskeleiweiß, was mittelfristig trotz Umschaltung auf ein eiweißsparendes fettabbauendes Stoffwechselmodell, zum Abbau von Muskelmasse führt. Paradoxes Ergebnis: Es kommt trotz Überangebot an Nahrungseiweiß zum Eiweißmangel.

Abnehmprofis wissen diesen Muskelabbau wenig zu schätzen, zieht er doch im Anschluss an jede radikale Diät den berühmten Jojo-Effekt nach sich. „Muskeln sind sehr stoffwechselaktiv und verbrauchen auch in Ruhe viel Energie", erklärt Angela Mörixbauer, Ernährungsexpertin und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Verbandes der Ernährungswissenschafter in Österreich (VEÖ) den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Grundumsatz und Muskulatur. Schlank ist also relativ, denn mit wenig Mukis findet das Essen nach der Diät seinen Weg schnell zurück auf Hüften und Bauch.

Nieren überfordert

Umstritten ist die Eiweißdiät auch deshalb, weil die Nieren dem Zuviel an Eiweiß nicht gewachsen sind. „Das betrifft vor allem Personen, deren Nierenfunktion krankheits- oder altersbedingt eingeschränkt ist", weiß Mörixbauer. Auslöser sind ausscheidungspflichtige Eiweißstoffwechselendprodukte, die beim großzügigen Verzehr eiweißlastiger Nahrungsmittel zuhauf anfallen. Die Nieren werden von Harnstoff, Ammoniak, Kreatinin und Harnsäure förmlich überschwemmt. Die Ausscheidung erfordert eine Menge Flüssigkeit, die dem Körper entzogen wird und ganz nebenbei einen weiteren Gewichtsverlust vortäuscht.

Die Harnsäure macht das Leben während einer Eiweißdiät mitunter besonders schmerzhaft. „Zuviel Eiweiß und zu wenig Kohlenhydrate erzeugen eine mäßige Azidose (Absinken des Blut-pH-Wertes), weiß die Ernährungswissenschaftlerin. Für die Harnsäure Grund genug bevorzugt in Gelenken auszukristallisieren und schmerzhafte Gichtanfälle zu verursachen.

Kalorienersparnis

Aber was interessieren den übergewichtigen Abnehmwilligen die gesundheitlichen Auswirkungen, wenn doch allein die Max-Planck-Diät eine Gewichtsabnahme von immerhin neun Kilogramm innerhalb nur zwei Wochen prognostiziert. „Mittelfristig gesehen kommt bei Eiweißdiäten, wie bei allen anderen Diäten auch, ein Gewichtsverlust nur über das Kaloriendefizit zustande", resümiert Angela Mörixbauer und nimmt Bezug auf eine aktuelle Studie im New England Journal of Medicine. Die Untersuchung mit über 800 Probanden hat gezeigt, dass fettarme wie -reiche, kohlenhydrathältige wie -reduzierte, den eiweißreichen Diäten beim Abnehmen um nichts nachstehen. (derStandard.at, 18.3.2010)