London/New York - Die Vereinten Nationen haben die USA und Großbritannien darauf hingewiesen, dass der Irak keine "Schatzkiste" sei, die nach Belieben "aufgeteilt" werden könne. Nach den Bestimmungen der Genfer Konventionen hätten die Invasionsarmeen zwar die Rechte und Pflichten einer Besatzungsmacht - "aber das ist es dann auch", sagte UNO-Untergeneralsekretär Shashi Tharoor (Indien) am Dienstag in einem BBC-Interview. Die USA beharren laut Außenminister Colin Powell auf einer Führungsrolle beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Irak. Das von den Amerikanern geführte Militärbündnis sollte den Nachkriegsprozess kontrollieren, weil dessen Soldaten "die Kosten mit Leben bezahlt" hätten, sagte Powell am Rande des Treffens von US-Präsident George W. Bush mit dem britischen Premierminister Tony Blair in Nordirland.

Nach den Worten von Generalsekretär Kofi Annan verleiht erst die Einbeziehung der UNO dem Neuaufbau des Irak und einer Übergangsverwaltung in Bagdad jene "Legitimität, die für den Irak und die Region so nötig sind". Der Generalsekretär hatte am Montag betont, dass allein der Irak über eine neue Regierung und über die Verwaltung seiner Ölvorräte bestimmen dürfe. Mit der Ernennung seines Stellvertreters Rafeeudin Ahmed (Pakistan) zum Koordinator für den Wiederaufbau will der UNO-Generalsekretär die wichtige Rolle der Vereinten Nationen im Irak nach dem Krieg unterstreichen.

Kein Recht auf Ausbeutung

"Ganz bestimmt haben sie nach den Genfer Konventionen kein Recht, die Gesellschaft oder die Politik umzuformen oder die wirtschaftlichen Ressourcen auszubeuten oder Ähnliches", betonte Untergeneralsekretär Tharoor. Für den Wiederaufbau des Landes oder die Einsetzung einer Regierung würden die Besatzungsmächte die Unterstützung des Weltsicherheitsrates benötigen - oder sie verstießen gegen das Völkerrecht.

Die USA wollen den Vereinten Nationen keine politisch-administrativen Befugnisse einräumen, sondern ihre Rolle auf humanitäre Hilfsleistungen beschränken. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld plant, dass Ex-Generäle und ein ehemaliger CIA-Direktor in Bagdad herrschen und das Land demokratisieren sollen. Sie sollen nicht nur eine Militär-, sondern auch eine Zivilverwaltung installieren. Russland, China, Frankreich und Deutschland bestehen darauf, dass eine Nachkriegsregierung im Irak nur von der UNO legitimiert werden könne.

Der US-Chefdelegierte bei den Vereinten Nationen, John Negroponte, sagte am Montag (Ortszeit) nach einer neunzigminütigen Sondersitzung des Weltsicherheitsrats in New York, er sei sicher, "dass es eine Rolle für die UN gibt". Dies müsse aber noch weiter diskutiert und geklärt werden. Dagegen sprach sich Frankreichs UNO-Botschafter Jean-Marc de la Sabliere dafür aus, dass die Vereinten Nationen die "zentrale Rolle" nach Ende des Kriegs übernehmen.

Die arabischen Staaten bemühen sich weiter um eine Sondersitzung der UNO-Generalversammlung. Die Resolution 377 aus dem Jahr 1950 sieht die Einberufung einer solchen Sitzung auf Verlangen der Mehrheit der Mitgliedstaaten vor, wenn im Weltsicherheitsrat keine Entscheidung erreicht werden kann. Dieses Vorgehen wurde in den vergangenen 50 Jahren zehn Mal angewendet. Die USA haben sich gegen die vom ägyptischen Außenminister Ahmed Maher angekündigte Initiative ausgesprochen. Sie sei "weder notwendig noch wünschenswert", sagte Botschafter Negroponte. (APA/dpa/AP)