Als in Polen vor wenigen Tagen die Minister für Privatisierung und Gesundheitswesen nach nur knapp zwei Monaten im Amt zurücktraten, wunderte sich nur noch der Kommentator der liberalen Gazeta Wyborcza: "Warum tut das der Ministerpräsident?" Alle anderen Zeitungen kommentieren schon seit Wochen den Niedergang der polnischen Demokratie. Unfähigkeit, Korruption und hemmungslose Postenschacherei wird der Minderheitsregierung unter Leszek Miller vom Bündnis der demokratischen Linken (SLD) vorgeworfen.

Seit Monaten hält eine Korruptionsaffäre das Land in Atem, in die der Regierungschef höchstpersönlich verwickelt sein soll. Tatsächlich deckt der parlamentarische Untersuchungsausschuss ein Maß an Verstrickung zwischen hochrangigen Politikern und einflussreichen Unternehmern auf, das die polnischen Medien in aller Schärfe kritisieren: "Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken", "In Polen hat eine Oligarchie die Macht übernommen." "Die Demokratie stirbt einen langsamen Tod."

Inzwischen hat auch Staatspräsident Aleksander Kwas- niewski Premier Miller den Rücktritt nahe gelegt, da seine Regierung angesichts des bevorstehenden EU-Referendums (voraussichtlich am 8. Juni) eine Belastung für das Land darstelle. Miller wies dieses Ansinnen zunächst weit von sich. Doch der Rücktritt der beiden Minister Mitte letzter Woche ließ noch einmal deutlich werden, dass es dieser Regierung anscheinend nur darum geht, möglichst viel Einfluss und Geld langfristig in die Hände von Parteifreunden zu lenken.

Sowohl Gesundheitsminister Marek Balicki als auch der für die Privatisierung zuständige Schatzminister Slawomir Cytrycki, die beide als Fachleute gelten, resignierten, weil sie sich offenbar als Marionetten missbraucht fühlten, die im eigenen Ressort nichts zu sagen hatten.

Offensichtlich auf Druck des Präsidenten hat Miller nun doch vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Allerdings erst für Juni 2004. Sie sollen zugleich mit den Europawahlen stattfinden, an denen Polen, wenn alles mit dem EU-Beitritt glatt geht, zum ersten Mal teilnehmen wird. Umfragen zufolge sind die meisten Polen dafür, dass diese Regierung schon heute zurücktritt. Den Polen schwant schon heute, wer die nächste große Pleite in der Regierung vorbereitet: Finanzminister Grzegorz Kolodko. Er bereitet eine Steuerreform vor. Doch wann immer Journalisten ihn dazu befragen wollen, nimmt er Reißaus. Und so enden die Abendnachrichten in Polen schon seit Tagen mit dem Bild des hurtig davonspringenden Finanzministers. Gabriele Lesser aus Warschau