Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit: Die EU hat sich - bei allen offenen Fragen über Ausmaß und Art - auf Hilfen für Griechenland verständigt. Offenbar war der Wellengang in der Ägäis in Form verunsicherter Finanzmärkte und internen Widerstands gegen einen rigiden Sparkurs zu groß, um auf eine internationale Rettungsaktion verzichten zu können.

Am heutigen EU-Gipfel in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs ihre Rückendeckung mit stolzer Brust als Akt der Solidarität preisen. Doch die Kosten des Pakets und - weit bedeutender - der nachhaltige Schaden für die Eurozone sind hoch. Weit höher, als ein Staatsbankrott Griechenlands zu veranschlagen wäre.

Da wäre einmal der moralische Schaden für die Union, der durch den Vertragsbruch entsteht. Vor der Gründung der Währungsunion wurden mehrere Prinzipien verankert, die Hilfen für ein Mitglied untersagen. Zwar gibt es einen Ausnahmeparagrafen, wonach neben Naturkatastrophen auch "außergewöhnliche Ereignisse, die sich seiner (der des Staates) Kontrolle entziehen" , einen Grund für Unterstützung darstellen. Das Fälschen von Budgetzahlen ist zwar fraglos "außergewöhnlich" und hat dem Land überhaupt den Euro-Eintritt ermöglicht. Allerdings war die Verschleierung Strategie und keineswegs außerhalb der Kontrolle Athens.

Nun wären zwar auch Umgehungskonstruktionen denkbar, indem Partnerstaaten bilateral Hilfen gewähren (und Brüssel nur koordiniert) oder indem Paris oder Berlin Anleihen begeben und die Einnahmen nach Athen überweisen. Doch all das ändert nichts am Geist des Vertrags, der ganz klar auf die budgetäre Eigenverantwortung der Eurostaaten abzielt.

Genau diese Prinzipien haben ihre volle Berechtigung, geht es doch um die Stabilität der Gemeinschaftswährung. Niemals hätten Gründungsmitglieder wie Deutschland oder Österreich der Aufgabe ihrer (harten) Währung zugestimmt, wären die Fundamente des Euro nicht so tief eingebettet worden. Offenbar nicht tief genug, denn künftig wird das gesamte Gebäude gehörig wackeln. Auch andere Staaten haben große Budgetprobleme und können sich nun getrost auf einen Blankoscheck aus Brüssel, Berlin oder Paris verlassen. Wenn dieser von Schwergewichten wie Italien in Anspruch genommen werden sollte, dann wäre es mit der Stabilität des Euro dahin. Die griechische Tragödie wäre dann endgültig eine europäische.

Was bewegt die Staatenlenker also zum Bail-out? Es dürfte wieder einmal um die eigenen Banken gehen, die hohe Bestände griechischer Staatsanleihen in ihren Büchern stehen haben. Die Papiere verkauften sich dank hoher Renditen wie die warmen Semmeln. Eine Feuerwehraktion der Union tritt somit nicht nur die Prinzipien der EU mit Füßen und belohnt die Schuldenmeister, sondern vergoldet auch noch die Nase der Spekulanten, die auf ein internationales Fangnetz gesetzt haben. Besonders arg trieben es die griechischen Institute, die Ausfallsversicherungen auf Staatsanleihen verkauften und damit einen gigantischen Reibach machten.

Gegen all diese - politischen wie volkswirtschaftlichen - Kosten wären die durch einen Bankrott Griechenlands verursachten Verwerfungen auf den Märkten ein kleineres Übel.

So aber überreicht die EUein verkehrtes Danaergeschenk: weil diesmal Griechenland beschenkt wird und die Geber den Schaden erleiden.  (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 11.2.2010)