Wien - Sollte das neue Dienst- und Besoldungsrecht eine Verbesserung der Gesamtsituation für Lehrer bringen, könnte sich die Lehrer-Gewerkschaft die Schlachtung der "letzten heiligen Kuh", der Pragmatisierung, vorstellen. In diesem Fall gebe es allerdings kein Argument mehr dafür, dass Lehrer ihr Leben lang weniger verdienen, betonte der Vorsitzenden der ARGE Lehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Walter Riegler.

Die Pragmatisierung werde schon jetzt bei den Bundeslehrern nicht mehr vollzogen, zum Teil auch bei den Landeslehrern nicht. Dass diese in der Öffentlichkeit als so großes Privileg verstanden wird, versteht Riegler nicht. Immerhin bekämen auch pragmatisierte Lehrer keine Beamtenpension mehr, und der Staat könnte sich dadurch viel Geld sparen. Diese Frage könne aber ohnehin nur in Rahmen eines "Gesamtpakets" zum neuen Dienst- und Besoldungsrecht entschieden werden.

Was die Lehrervertreter in den Verhandlungen mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) erwarten wird, kann Riegler derzeit überhaupt nicht einschätzen und zeigt sich daher skeptisch: "Ich weiß nicht, ob das der große Segen sein wird". Schließlich sei eine Reform von Dienstrecht und Lehrerausbildung sinnlos, bevor eine politische Entscheidung darüber gefallen sei, ob es in Österreich ein differenziertes Schulwesen geben soll oder eine "Einheitsschule". Schmieds Strategie sei hingegen: "Wir wissen nicht, wohin wir auf Urlaub fahren, aber wir ziehen mal die Fellschuhe an - selbst wenn wir dann auf die Malediven fahren", so Riegler. Bei einer Änderung des Schulwesens könne man das neue Dienstrecht dann "gleich weghauen".

Kein Kontakt zwischen Gewerkschaft und Unterrichtsministerin

Kontakt zwischen der Gewerkschaft und der Unterrichtsministerin hat es seit dem Streit um die geplante Anhebung der Unterrichtsverpflichtung im Mai vergangenes Jahres nicht gegeben. Ausnahme sei ein Schreiben Mitte Dezember gewesen, in dem Schmied mitteilte, dass sie noch Zeit für ihre Pläne für ein neues Dienst- und Besoldungsrecht benötige. Nach deren Fertigstellung wolle sie mit der Gewerkschaft "und anderen relevanten Gesprächspartnern, wer auch immer das sein soll" (Riegler) Verhandlungen beginnen.

Dass Lehrer nach Schmieds Wunsch mehr Zeit in der Schule verbringen sollen, sieht er nach wie vor kritisch. Die Möglichkeit, Teile der Arbeitszeit frei zu verschieben, käme derzeit vor allem Müttern mit Kindern zugute. "Wenn dieser Vorteil im neuen Dienstrecht weggenommen werden soll, ist die Frage: Was gäbe es dafür?" Außerdem fände er es "kindisch" und einen "Anschlag auf den Intellekt von Direktoren", wenn diese künftig ihren Lehrern zusehen müssten, "wie sie stundenlang in Heften herumkrixeln".

Riegler hat "grundsätzlich nichts dagegen", dass die Ministerin sich für Planungen ohne Einbindung der Gewerkschaft entschieden hat. Er hoffe nun, dass Schmieds Vorschlag für ein neues Dienstrecht "so wunderschön ist, dass wir begeistert zustimmen können". Das neue Dienst- und Besoldungsrecht müsse auf jeden Fall eine Verbesserung im Vergleich zur derzeitigen Situation bringen, um in Zeiten eines drohenden Lehrermangels Nachwuchs rekrutieren zu können. "Wenn es ein schönes Haus ist, werden wir einziehen", so Riegler. "Aber wenn es ein schiaches Haus ist, werden wir nicht zustimmen." Im Unterrichtsministerium gibt man sich vorerst noch bedeckt: Es würden derzeit zahlreiche, nicht-medienöffentliche Vorbereitungsgespräche laufen. In den kommenden Wochen soll über das weitere Vorgehen informiert werden, so Schmieds Sprecher. "Das Wesen von nicht-öffentlichen Gesprächen ist, dass man nicht darüber redet."

Grüne kritisieren "geringschätzige Aussagen"

Mit Kritik haben die Grünen darauf reagiert, dass Lehrer-Gewerkschafter Walter Riegler eine längere Anwesenheit von Lehrern für sinnlos hält. "Dass ausgerechnet ein Lehrer-Gewerkschafter die Korrektur von Hausübungen und Schularbeiten als 'stundenlang in Heften herumkrixeln' bezeichnet, ist absolut unverständlich", so Bildungssprecher Harald Walser in einer Aussendung. Die Ankündigung Rieglers, gegebenenfalls auf Pragmatisierungen für Lehrer zu verzichten, lässt ihn unbeeindruckt. "Es ist leicht aufzugeben, was man nicht hat."

Die Lehrer-Vertreter sollten stattdessen "konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten, die sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen bestmögliche Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet". Von der von den Grünen geforderten Gemeinsamen Schule für Unter-14-Jährige würden auch Lehrer "enorm profitieren", betonte Walser. Und wenn an Schulen Arbeitsplätze und Infrastruktur für Lehrer eingerichtet würden, könnten diese sich nach Unterrichtsende "uneingeschränkt ihrem Privat- und Familienleben widmen". Eine "Gemeinsame Schule" würde außerdem die Bereitstellung von qualifiziertem Betreuungspersonal für Schüler bedeuten.(APA)