Nicht nur einmal musste sich José Manuel Barroso in den vergangenen Wochen vorwerfen lassen, dass er in seiner Jugend - in einem rechtsdiktatorischen Portugal der 1970er-Jahre - Maoist gewesen ist. Das war sozusagen das Zuckerl inmitten der vielen kritischen Anmerkungen, denen sich der wendige Christdemokrat an der Spitze der EU-Kommission aussetzen musste.

Nach seiner Bestätigung könnte er seinen Kritikern nun schelmisch entgegenhalten, dass sich der lange Marsch am Ende doch gelohnt habe. Nicht jener im Sinne Maos, sondern der von unzähligen Hindernissen und Problemen gesäumte Parcours, den Barroso seit Juni zu absolvieren hatte, damit die Union am Ende doch noch zu einer handlungsfähigen Zentralbehörde kommt.

Das muss man ihm positiv zugestehen: Es wird nicht so viele Politiker in Europa geben, die in einer derart zersplitterten, von nationalen Interessen verbogenen, von Krisen geschüttelten und Antieuropäern attackierten Union unbeirrt weitergehen, anstatt entnervt aufzugeben. Barroso hat seine Meriten. Was nichts daran ändert, dass es ihm bisher an Charisma, an politischem Mut fehlte. Er ist im Zweifel ein Zauderer, einer, der sich nie exponiert, einer, der kein Risiko auf sich nimmt und (gedanklich) vorausgeht - also im Idealfall führt. Dazu hätte er jetzt Gelegenheit. Die Mehrheit für sein Team war im Parlament gewaltig. Barroso sollte dies als Rückenwind nützen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe 10.2.2010)