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Tatort Felsenreitschule: Klaus Kretschmer ließ der Firma PV viel Geld zukommen. Sie schmückt sich auf ihrer Homepage mit den Festspielen.

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"Fein": Nur ein Detail aus der Anzeige der Sommerfestspiele bei der Staatsanwaltschaft.

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Er hätte sein Festival unter anderem durch Auftragsvergaben an einen engen Freund geschädigt.

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Am 22. Jänner wurde Klaus Kretschmer, der technische Direktor der Salzburger Sommerspiele, gefeuert. Die Unterredung mit Präsidentin Helga Rabl-Stadler und Geschäftsführer Gerbert Schwaighofer dauerte keine Viertelstunde: Kretschmer nahm die Kündigung scheinbar mit Gleichmut hin. Er hatte sie, wie er sagte, bereits erwartet.

Sein Komplize Michael Dewitte, Geschäftsführer der Osterfestspiele, war aufgrund des Verdachts von Malversationen bereits Mitte Dezember entlassen worden. Peter Raue, der Anwalt der Berliner Philharmoniker, brauchte allerdings Zeit, bis er als interimistischer Geschäftsführer alle Unterlagen gesichtet hatte: Am 21. Jänner setzte er Rabl-Stadler in Kenntnis, dass Kretschmer zwischen 2005 und 2009 aufgrund dubioser Rechnungen und mehrfach wohl ohne Gegenleistungen rund 487.000 Euro von den Osterfestspielen erhalten hatte.

Diese Rechnungen tragen den Briefkopf "Ing. Klaus Kretschmer Technisches Büro für Veranstaltungstechnik" . Sie sind nicht fortlaufend nummeriert, wie das Finanzamt es vorschreibt: Wiederholt lautet die Rechnungsnummer zum Beispiel "2006/TB1".

Zuvor, in den Jahren 2004/2005 hatte Kretschmer über zwei Briefkastenfirmen (die Techne Multimedia und die TDC mit der gleichen Adresse in Freilassing) 178.770 Euro von den Osterfestspielen kassiert. Die Gesellschafter der Techne Multimedia waren Kretschmer und seine Lebensgefährtin Cornelia Lohninger, die gegenüber dem Standard gesagt hatte, von nichts zu wissen.

Dass Kretschmer nebenbei für die Osterfestspiele gearbeitet hatte, war dem Direktorium der Sommerfestspiele bekannt: Er wurde am 30. August 2001 zur Rede gestellt - und unterfertigte ein Protokoll. Er sagte zu, seine Firma in Freilassing stillzulegen und in Zukunft "ausschließlich beratende Tätigkeiten für fremde Auftraggeber zu verrichten. Solche bedürfen ausnahmslos alle der Genehmigung des Direktoriums."

Ein Jahr später, am 29. August 2002, wurde ihm schriftlich mitgeteilt, dass er "auf eine weitere Honorierung durch die Osterfestspiele" zu verzichten habe - "aus ‚klimatischen‘ Gründen" , wie es in dem Schreiben von Schwaighofer heißt. Er, Kretschmer, habe seine Tätigkeiten für Ostern als technischer Direktor der Sommerfestspiele zu leisten: "Eventuelle Abgeltungen für Produktion, Beratung, technische Einrichtung etc. werden direkt zwischen den Salzburger Festspielen und Osterfestspielen vereinbart." Schweighofer weist Kretschmer nochmals darauf hin, "dass jede Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung durch das Direktorium bedarf".

Danach dürften sich einige taub, blind und dumm gestellt haben. Denn Kretschmer garantierte reibungslose Abläufe, war unverzichtbar. Zudem hatte er sich innerhalb der Festspiele ein Netzwerk aufgebaut. Kretschmer, rhetorisch bewandert, werden Verhältnisse mit mehreren Mitarbeiterinnen - in durchaus wichtigen Positionen - nachgesagt. Und so konnte er ungeniert seinen Aktivitäten nachgehen. In der Direktion ist man nun über das Ausmaß und die Dreistigkeiten entsetzt.

Um eine umfassende Anzeige bei der Staatsanwaltschaft abgeben zu können, bat das Direktorium die Mitarbeiter um Informationen. Aufgrund dieser soll der Firma PV Planungs- und Veranstaltungstechnik in Nürnberg eine zentrale Rolle zukommen. Geschäftsführer ist Johannes Fickenscher; er sei laut Anzeige, die dem Standard vorliegt, mit Kretschmer "gut bis eng befreundet" .

Das Unternehmen - telefonisch ist niemand erreichbar - wirbt auf seiner Homepage www.vs-fickenscher.com mit einem Auftrag der Festspiele: Für das Bühnenbild zu King Arthur, der Eröffnungspremiere 2004 in der Felsenreitschule, hatte man 60 Projektoren geliefert. Die Inszenierung besorgte der gegenwärtige Intendant Jürgen Flimm, das Bühnenbild - wen wundert es? - Klaus Kretschmer.

Er soll, so die Anzeige, bei der PV Bestellungen getätigt und "Rechnungen dieser Gesellschaft, denen keine Lieferungen zu Grunde lagen, zur Vorauskassa oder überhaupt zur Zahlung frei gegeben" haben. Der dadurch den Festspielen entstandene Schaden lasse sich derzeit noch nicht abschließend ermitteln, er "dürfte aber beträchtlich sein".

In der Anzeige werden einige Beispiele aufgeführt. So mietete Kretschmer am 25. Februar 2009 bei der PV Equipment (u. a. fünf Kameras, ein Präsentationssystem und zwei Bildmischer) um 50.500 Euro an, obwohl der Bestellschein nicht genehmigt worden sein soll. Da Kretschmer in der Folge die sachliche Richtigkeit der eingetroffenen Rechnungen (zwei Teilbeträge) bestätigt, erhielt die PV inkl. Mehrwertsteuer 60.600 Euro. Tatsächlich geliefert wurden nur die fünf Kameras mit einem Mietpreis von 12.500 Euro. Der Schaden betrage daher 48.100 Euro.

Zudem soll über Veranlassung von Kretschmer Equipment der Festspiele an Fickenscher verliehen worden sein, "der diese seinerseits entgeltlich weitervermietet hat". Und schließlich: Kretschmer ließ für die Grundkonstruktion des Theodora-Bühnenbildes (Eröffnungspremiere 2009), eine monströse Orgel, drei Anbote von Drittfirmen einholen. Die PV bekam - wen wundert es? - den Auftrag zum Nettobetrag von 75.000 Euro. Kretschmer wurde daraufhin von einem Mitarbeiter aufmerksam gemacht, dass diese Konstruktion bereits von den hauseigenen Werkstätten hergestellt worden ist. Er soll geantwortet haben, dass dies fein sei, denn dann könnten "um diesen Betrag Scheinwerfer bezogen werden".

Derzeit stehen noch viele Fragen im Raum: Wie oft und in welcher Höhe vergab Kretschmer Aufträge an Drittfirmen für Leistungen, die von den Festspielen selber erbracht hätten werden können? Floss in diesem Zusammenhang - wie bei den Festspielen gemutmaßt wird - Schmiergeld? Wenn ja: Welche Personen wurden bestochen? Nur Kretschmer? Oder hatte er Mittäter beziehungsweise Mitwisser?

Das könnte ein Fall für Brenner sein. Die Romanfigur von Wolf Haas hat schon einmal bei den Festspielen recherchiert. Der vom Direktorium bei der Audit Services Austria in Auftrag gegebene Bericht soll jedenfalls am 22. Februar vorliegen. Beleuchtet werden speziell jene Felder, in denen, so Rabl-Stadler, "Kriminelle ihr Unwesen treiben könnten" , also die Schnittstelle mit den Osterfestspielen und die Auftragsvergabe. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 10.02.2010)