Qué viva México!, die von Upton Sinclair finanzierte Filmruine des russischen Maestros Sergej Eisenstein

 

 

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Arturo de Córdova als "Él" mit Delia Garcés

 

 

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Ninón Sevilla spielt, singt und tanzt in "Aventurera"

 

 

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Wien - Die Hochblüte des mexikanischen Kinos fällt interessanterweise mit jener des klassischen Hollywoodkinos zusammen. Von den 1930er-Jahren bis hinein in die 50er gab es auch südlich von Kalifornien eine ähnlich ausdifferenzierte Filmindustrie - mit Studios, Stars und einer Vielfalt an Genres -, die ebenso unverwechselbare Autoren hervorbrachte und von Lateinamerika bis nach Europa auch über ein entsprechend umfassendes Publikum verfügte.

Umso verwunderlicher ist es, dass diese Epoche weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Es mag an einer fehlenden Sensibilität für das audiovisuelle Erbe liegen, denn wie die Schau Das Goldene Zeitalter: Film in Mexiko im Österreichischen Filmmuseum nun zeigt, birgt dieses Kino beträchtliche Schätze. Qué viva México!, die von Upton Sinclair finanzierte Filmruine des russischen Maestros Sergej Eisenstein, ist nur einer der berühmteren - und sehr einflussreichen - Fälle dieser Zeit.

Manische Eifersucht

Für spanischsprechende Emigranten bot Mexiko ein besonders attraktives Exil: Der Surrealist Luis Buñuel blieb bis an sein Lebensende dort und drehte zwanzig Filme. Das Filmmuseum zeigt von ihm etwa Él, die Studie eines krankhaft eifersüchtigen Mannes, die ein schönes Double Feature mit Clouzots restauriertem L'enfer bieten würde.

Buñuel verankert die Geschichte in einem bürgerlich-katholischen Setting: Es ist in der Kirche, wo der angesehene Protagonist das erste Mal seiner zukünftigen Frau begegnet, und es scheint so, als würde er sich zuerst in ihre Fußfessel verlieben. Él (Er) ist weniger offen surrealistisch, schmiegt sich aber an die Wahrnehmung seines Helden an, der überall Nebenbuhler vermutet. In einer der verstörendsten Szenen taucht er mit Zwirn und Nadel am Bett seiner Frau auf, als würde er sie zunähen wollen.

Eine nicht minder gebeutelte Heldin steht im Mittelpunkt des großartigen Melodrams Aventurera (Die Abenteurerin). Innerhalb der ersten halbe Stunde steigt Elena vom vergnügten Mädchen aus gutem Haus zur Revuetänzerin und Prostituierten ab. Regisseur Alberto Gout inszeniert diese Caberetera - ein Subgenre, in dem sich Musik und Melodram vermengen - als ungestüme Achterbahnfahrt, die immer wieder an Punkten höchster Gespanntheit innehält. Ninón Sevilla, eine kubanische Tänzerin, spielt die Hauptrolle wie einen Wirbelsturm: Sie führt vor, welcher Lehren es bedarf, um eine Femme fatale zu werden. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 10.02.2010)