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Bergung von Lawinenopfern am Kitzsteinhorn: Die Bergretter könnten per Gesetz zu Alpinpolizisten aufgewertet werden.

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Angesichts der vielen Lawinenopfer der vergangenen Tage stellt sich die Frage, warum es keinerlei öffentlich-rechtliche Vorkehrungen gegen Selbst- und Fremdgefährdung im alpinen Raum gibt. Konkret ginge es um die Erlassung von Rechtsvorschriften, die Touren- und Varianten-Skilauf ab Lawinenwarnstufe 3 verbieten und effizient durchzusetzen wären.

Aber von wem und auf welcher bundesverfassungsgesetzlichen Grundlage? Wer ohne Liftkarte bergauf strebt, hat keinen Beförderungsvertrag abgeschlossen, und wer außerhalb von Schulen (Bundeskompetenz), Berg- und Skiführern sowie Skischulen (Landeskompetenz), etwa als Privater, Touren geht, unterliegt, abgesehen von Jagd- (Landes-) und Forstrecht (Bund) keinem rechtlichen Regime. Die Folgen des leichtsinnigen Handelns können zwar theoretisch straf- und zivilrechtlich geahndet werden, aber weit wichtiger wäre eine Handhabe zur Verhinderung der Unfälle.

Die von einer unglaublichen Zersplitterung der Zuständigkeiten im Ski-, Touren- und Snowboardsektor gekennzeichnete österreichische Rechtsordnung kennt kein bundesweites alpines Sicherheitsgesetz. Hiefür bedürfte es bundesverfassungsrechtlicher Vorkehrungen, es sei denn, man betrachtet diese Materie als Teil der "Allgemeinen Sicherheitspolizei" . Für diese Variante haben schon vor Jahrzehnten namhafte Experten votiert, aber der Bund (vertreten durch das Innenministerium) hatte Bedenken, Ressourcen der Sicherheitsverwaltung für ein paar Abenteurer im weiten alpinen Raum zu verschwenden.

Nun sieht aber mittlerweile die Situation so dramatisch aus, dass die korrekte volkswirtschaftliche Kostenberechnung der Alpinunfälle - Material und Aufwand der Suchmannschaften, Bergungs- und Heilungskosten, Gefährdung von Bergrettern, Gefährdung Dritter, letztlich auch Schaden für den Fremdenverkehr - sehr wohl Bundesmittel für die Prävention und Rechtsdurchsetzung rechtfertigt.

Wer übernimmt die Kosten?

Diese Kosten werden de facto nur zum geringsten Teil über Regresse den Verursachern - oder deren Erben, was auch an Grenzen der Pietät stößt - in Rechnung gestellt, sondern über Budgets der Sozialversicherung, des Gesundheitswesens oder über die unanständige Abwälzung auf Private und auf ideelle Einrichtungen (Rotes Kreuz, Bergrettung) gedeckt.

Derzeit betreffen den alpinen Raum zu 80 Prozent Landes- und zu 20 Prozent Bundesgesetze;nur Randbereiche werden durch Sicherheitsorgane mit vollzogen. Die Einrichtung einer Skifahrpolizei ist bisher auch an kompetenzrechtlichen Bedenken gescheitert.

Für eine gesetzlich einwandfreie Lösung, die schwieriger klingt, als sie ist, müsste der Nationalrat ein alpines Sicherheitsgesetz beschließen;zudem sollte der Bund einen Gliedstaatsvertrag mit den Ländern zur Vereinheitlichung der einschlägigen Sicherheitsbestimmungen im Landesrecht abschließen.

Die Mittel der Rechtsdurchsetzung wären dieselben wie in allen "polizeilichen" Materien. In Betracht kämen Verwaltungsstrafen, Zwangsakte wie Wegweisung, Zutrittsverweigerung in den freien und ungesicherten Alpinraum, notfalls auch die Beschlagnahme von Tourenskiern, Steighilfen und Snowboards.

Die alpinen Sicherheitsorgane müsste der Bund gesetzlich ermächtigen und ihren Aufwand bezahlen, aber er muss keinen zusätzlichen Wachkörper errichten. Denn für eine neue Alpinpolizei bieten sich die ohnehin notorisch unter Geldmangel leidenden Bergrettungseinrichtungen mit geschultem Personal an.

Eine zweite, aber viel ineffizientere Lösung bestünde in der von den Ländern seit den 50er-Jahren geforderten Zustimmung des Bundes, gewisse Landesgesetze - z.B. Sport-, Skischul-, Bergführer-, Naturschutzgesetze - durch die Sicherheitspolizei zu vollziehen.(Gerhard Strejcek, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 10.2.2010)