Berkeley/Wien - Kaum ein Tag, an dem keine neue Studie über die Gefahren des Nikotins veröffentlicht wird. Ist längst gesichert, dass regelmäßiges Rauchen unter anderem die Krebsgefahr erhöht und zu Herz- und Lungenerkrankungen führen kann, so gibt es doch immer wieder Neues zu entdecken. Etwa, dass regelmäßiges Rauchen das Alzheimer-Risiko deutlich erhöht, wie vor wenigen Tagen kalifornische Mediziner nach einer Auswertung von 43 Studien im Journal of Alzheimer's Disease berichteten.

Doch nicht nur aktives und passives Rauchen schaden der Gesundheit. Auch Rauch aus dritter Hand kann gefährlich werden, wie nun ein US-Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftern des Berkeley Lab in Kalifornien herausgefunden haben: Nikotin, das in Innenräumen von allen möglichen Einrichtungsgegenständen aufgenommen wird, kann sich dort in Reaktion mit einem verbreiteten Umweltgift zu einem stark krebserregenden Stoff umwandeln.

Nikotin könne auf Wänden, Böden, Vorhängen oder Möbeln wochen- und monatelang gespeichert bleiben, sagt der Chemiker Hugo Destaillats vom Berkeley Lab. "Unsere Studie zeigt, dass diese Nikotinreste mit gewöhnlicher Salpetriger Säure reagieren und sich in Tabak-spezifische Nitrosamine (TSNAs) umwandeln", so Destaillats. "TSNAs wiederum gehören zu den wirkungsvollsten Karzinogenen in unverbranntem Tabak und Tabakrauch."

Verzehnfachte Konzentration

Die Forscher hatten für ihre Studie, die in der US-Wissenschaftszeitschrift PNAS erschien, zunächst Zellulose eine Zeitlang mit Tabak "geräuchert". Danach wurde das Material drei Stunden lang einer realistischen Konzentration Salpetriger Säure ausgesetzt (60 Teile pro Milliarde Volumsteile), wie sie zum Beispiel in der Umgebung der meisten Verbrennungsmotoren üblich ist. Bei nachfolgenden Untersuchungen zeigte sich, das der Anteil der TSNAs nach Interaktion mit der Salpetrigen Säure zehnmal so hoch war als ohne.

Für Mohamad Sleiman, Erstautor der Studie, ist offensichtlich, dass Rauch aus dritter Hand ein eindeutiges und überraschend hohes Gesundheitsrisiko darstellt. Da der Kontakt mit diesen TSNAs vor allem durch die Haut, das Inhalieren von Staub und die Aufnahme durch den Mund erfolgt, ist auch klar, wer dem Risiko am stärksten ausgesetzt ist: Babys und Kleinkinder. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 09.02.2010)