Untersuchen Anzeigen wegen "Anstiftung zum Geheimnisverrat" - und laden munter Journalisten vor: die Polizei-Korruptionsbekämpfer.

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Der dunkelblaue VW-Kleinbus mit den verdächtig vielen Antennen tankt gleich gegenüber dem Eingang Strom für neue Taten. Im zweiten Stock die Tetron GmbH, zuständig für das „Sicherheitsnetz" aller Blaulichtfunker. Gleich darunter, im ersten Stock von Objekt 3 an der Meidlinger Hohenbergstraße, wird der Journalist Oswald Hicker wieder einmal erwartet. Im Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung, das frühere Büro für interne Angelegenheiten. BAK statt BIA.

Hicker ist diesmal nur als Zeuge vorgeladen. Von wem, weiß er nicht: Nur "BAK" und eine dreistellige Dienstnummer weisen auf den Beamten hin, der Hicker herbeordert hat. Zur Vernehmung über "Weitergabe von Aktenteilen durch bislang unbekannte Täter in Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Klärung der Entführung der Natascha Kampusch".

Er war auch schon als Beschuldigter da. Hicker hat 2008 in der Gratiszeitung Heute aus Kampusch-Akten zitiert, von "Ermittlungspannen", "Nichtverfolgung von Ermittlungsansätzen" geschrieben und dass "konkrete Hinweise nicht verfolgt" worden wären. 

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelte gegen den Journalisten nicht allein wegen „Anstiftung zum Geheimnisverrat". Sondern auch wegen "Verleumdung". Paragraf 297 des Strafgesetzbuches sieht eine Höchststrafe von fünf Jahren dafür vor. Verleumdung bedeutet: Jemandem eine strafbare Handlung nachsagen im Wissen, dass er oder sie diese nicht begangen hat.

"Strenger Anzeiger"

"Ein strenger Anzeiger kann schon von der Wissentlichkeit ausgehen", verteidigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Korneuburg den Vorwurf. Hicker indes ist empört, „dass Journalisten, die über Fahndungspannen berichten, mit Strafen von bis zu fünf Jahren Haft bedroht werden". Inhaltlich fühlt er sich inzwischen von den weiteren Untersuchungen in der Causa bestätigt.

Das Verfahren gegen ihn ist eingestellt. Erledigt ist es für ihn nicht: Bei der Vernehmung vor dem „BAK" besteht er darauf, selbst am Ende des Protokolls Anzeige zu erstatten: Er fühle sich durch den Vorwurf der Verleumdung selbst verleumdet. Der Beamte tippt das bereitwillig.

Die Anzeige kam von der Staatsanwaltschaft Wien nach Korneuburg. Deren Sprecher winkt zu Hickers Gegenanzeige ab: "Wenn eine Behörde einen Sachverhalt auf Verleumdung prüft, kann das niemals selbst eine Verleumdung sein." Mit der Anzeige wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat ist Hicker, inzwischen Chefredakteur der Bezirksblätter für Niederösterreich, nicht allein. profil-Aufdecker Emil Bobi erinnert sich etwa an eine Anzeige, er hätte Landespolizeikommandant Roland Horngacher angestiftet, ihm Tonbänder vorzuspielen. News-Aufdecker Kurt Kuch war schon des öfteren als Zeuge geladen.

Sektionschef knackt Kette

Die Pressestelle der Wiener Polizei schaltete zuletzt mehrfach nach Zeitungsartikeln die internen Ermittler wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses ein. Grundsätzlich kann es gerade im Bereich des Verbrechens sinnvoll sein, Informationen zurückzuhalten. 

Mittäter könnten durch vorschnelle Berichterstattung gewarnt werden, Ermittlungen gestört werden. So argumentiert Johann Golob von der Pressestelle. "Es beschweren sich immer wieder Polizisten bei uns, warum diese und jene Information hinausgegangen ist, obwohl wir das gar nicht gemacht haben."

Doch nicht immer geht es um Anzeigen nach Artikeln, die die Aufklärung von Straftaten gefährden könnten. Der Kurier berichtete etwa von einem Sektionschef (ohne ihn zu nennen), der mit einem Bolzenschneider ein widerrechtlich angekettetes Fahrrad losschnitt und in ein Amtsgebäude verfrachtete. Dem Artikel folgte eine Anzeige gegen den unbekannten Tippgeber - wegen Geheimnisverrat.

Der betroffene Spitzenbeamte könnte die Anzeige veranlasst haben, sagt Golob. Warum dann keine Klage nach dem Mediengesetz? "Wir sind verpflichtet, diese Delikte anzuzeigen."

Dass in solchen Fällen auch die Telefondaten rückerfasst werden, hält Gollob für äußerst unwahrscheinlich. Es sei denn, ein verdächtiger Beamter ist identifiziert. Interne Ermittler könnten dann beim Mobilfunkanbieter kontrollieren, mit wem der Polizist wann wie lange telefoniert hat. Und mit welchen Journalisten. (Harald Fidler, Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 9.2.2010)