Bild nicht mehr verfügbar.

Junge Chinesen sind patriotisch, aber nicht politisch, meint China-Experte Xueli Yuan.

Foto: AP/Stache

Mozartkugeln sind die besten Türöffner, so Yuan.

Foto: ti communications

Xueli Yuan leitet interkulturelle Verhandlungstrainings zu China. "Chinesen denken und argumentieren anders." Auf was man in der Geschäftswelt achten sollte und welche Themen tabu sind, erklärt er im Interview mit Oliver Mark.

derStandard.at: Andere Länder, andere Sitten: Trifft das in besonderem Maße auf China zu?

Yuan: Wenn europäische Verhandlungsführer nach China reisen, brauchen sie zwei Kompetenzen: Fachkompetenz und soziale Kompetenz. Interkulturelle Handlungskompetenz ist ein wichtiger Teil der sozialen Kompetenz. Chinesen verhandeln unberechenbar, sie haben starke Verhandlungstaktiken. Nur wenn man die Aussagen chinesischer Manager richtig interpretieren kann, erhält man die Chance, Spielräume auszuloten.

derStandard.at: Ist die chinesische Geschäftswelt im Vergleich zu anderen Ländern eine besondere Herausforderung?

Yuan: Ja, denn wenn man etwa nach Japan geht, kann man das Prozedere von A bis Z erzählen. Aber in China kommt es immer darauf an. Die interkulturelle Kommunikation ist hier viel komplexer. Das bezieht sich auf die Präsentation, Konfliktlösung, Mitarbeiterführung etc. Hier sollte man gut vorbereit sein.

derStandard.at: Wie sehen die Unterschiede aus?

Yuan: Es gibt auf der Welt zwei unterschiedliche Argumentationsstile, den deduktiven und induktiven Stil. Europäische Verhandlungsführer denken deduktiv, sie schließen vom Allgemeinen auf das Besondere. Im Gegensatz zu chinesischen Partnern, die den induktiven Stil bevorzugen. Bei so unterschiedlichen Denkweisen verpassen beide Seiten wichtige Informationen.

derStandard.at: Welches sprachliche Rüstzeug braucht man, um in China Geschäfte machen zu können?

Yuan: Bei der Kommunikation geht es um vier Besonderheiten. Chinesische Verhandlungsführer haben eine andere Informationsstruktur. Sie denken und argumentieren anders. Europäer bekommen von chinesischen Partnern bei Verhandlungen immer wieder zwei, drei Ja-Formen zu hören. Damit meinen sie aber definitiv "Nein". Die vierte Besonderheit ist, dass Chinesen mit einem Nein unterschiedlich umgehen. Darüber sollte man Bescheid wissen, denn ohne korrekte Kommunikation ist kein beruflicher Erfolg möglich.

derStandard.at: China ist ja mittlerweile sehr heterogen. Wie soll man wissen, mit wem man es zu tun hat?

Yuan: Chinesen waren bis Mitte der 80er Jahre sehr homogen. Es gab nur regionale Unterschiede. Heute gibt drei Chinas. Ein traditionelles, ein sozialistisches und ein modernes China. Wenn man als Geschäftsmann in China ankommt, muss man sich die Frage stellen, mit wem man es zu tun hat. Beim traditionellen China sollte man höflich und bescheiden sein und keine offene Kritik üben. Das sozialistische China betrifft die Generation von 45 bis 60 Jahren. Die haben eine sehr raue Vergangenheit gehabt und mussten sich hart umorientieren. Im sozialistischen China kann man schon unter vier Augen seine Meinung sagen.

derStandard.at: Was ist charakteristisch fürs moderne China?

Yuan: Wenn man in China ankommt, stellt man sofort fest, dass es ein Land der jungen Leute ist. Das ist das moderne China, das unter 35 Jahre alt ist. China ist seit 2002 WTO-Mitglied, die Olympischen Spiele waren 2008 in Peking. Chinesische Eliteunis haben ein Ausbildungsprogramm, mit dem man weltweit mithalten kann. Diese Generation ist dynamisch, sehr aufgeschlossen. Die jungen Leute sind nicht fanatisch erzogen worden. Sie sind nicht besonders politisch, aber dafür sehr patriotisch.

derStandard.at: Man orientiert sich in erster Linie am Alter?

Yuan: Ja, denn Menschen mit unterschiedlichem Alter haben unterschiedliche Schicksale. So kann man Chinesen einordnen.

derStandard.at: Es heißt, dass Moral bei Verhandlungen keine Rolle spielen sollte. Warum?

Yuan: Es ist sehr wichtig, dass österreichische Verhandlungsführer wissen, dass sie nicht über Moral sprechen sollten. Chinesen haben hier eine andere Auffassung. Wenn man ihnen über Moral spricht, kommen nur Emotionen hoch. Daher empfehle ich immer, über Interessen und nicht über Moral zu sprechen.

derStandard.at: Was empfehlen Sie? Business-Englisch oder sollte man besser auf einen Dolmetscher setzen?

Yuan: Gutes Englisch ist sehr, sehr wichtig. Wenn einer von beiden Seiten kein perfektes Englisch spricht, muss man sofort einen Profi-Dolmetscher zu Rate ziehen. Dolmetscher haben eine strategische Position. Sie geben einem nach der Verhandlung einen eigenen Überblick. Sie bauen ihnen eine Argumentationsstrategie auf. Ein Dolmetscher muss immer auch ein interkultureller Vermittler sein.

derStandard.at: Kann man Themen wie etwa Menschrechte, Zensur oder Tibet zur Sprache bringen oder sind die tabu?

Yuan: Wenn mich österreichische Manager fragen, ob es einen Fehler gibt, den man in China überhaupt nicht machen soll, dann sage ich immer: "Ja, es gibt einen." Der größte Fehler ist, über Tabuthemen zu sprechen. In China sind das politische Themen. Die drei T-Themen sollte man vermeiden: Taiwan, Tibet und Tian'anmen. Mit dem Platz des himmlischen Friedens meine ich das Thema Menschenrechtsverletzungen. Wenn Sie hier aus europäischer Perspektive Stellung beziehen, hat das in China enormes Gewicht.

derStandard.at: Betrifft das alle Generation oder sind die jungen Leute so progressiv, dass man das ruhig thematisieren kann?

Yuan: Von Jung bis Alt. Chinesen sind sehr patriotisch, deswegen sollte das immer ein Tabu sein.

derStandard.at: Welche Adjustierung empfehlen Sie bei Geschäftsterminen? Legt man großen Wert auf Kleidung?

Yuan: Die Kleidung spielt eine große Rolle und bei offiziellen Anlässen sollte man auf jeden Fall im Business-Look erscheinen. Herren sollten Anzüge und Krawatten tragen und für Damen sind Hosenanzüge oder Kostüme empfehlenswert. Europäer sind in den Augen der Chinesen Gentlemen und die haben elegant zu erscheinen.

derStandard.at: Dauern Verhandlungen mit Chinesen tendenziell länger als zum Beispiel unter Europäern?

Yuan: Wenn man es mit chinesischen Staatsunternehmen zu tun hat, sind die Entscheidungswege lange. In der chinesischen Privatwirtschaft kann man auch schnell Abschlüsse erzielen. Da kommen unterschiedliche Kriterien zum Tragen. Für alle gibt es eine Regel: Jede Besprechung dient den chinesischen Partnern, um Gedanken auszutauschen. Eine Entscheidung muss nicht immer schon während der Verhandlung getroffen werden, da bekommt nicht so schnell etwas schwarz auf weiß.

derStandard.at: Sollte man das Essen mit Stäbchen beherrschen oder ist das ein Klischee, dass das bewertet wird?

Yuan: Essen zu gehen ist bis heute die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Chinesen. Sie sind hier eher unkonventionell. Informationen und Zugeständnisse bekommt man oft eher am Ess- statt am Verhandlungstisch. Ob man in der Lage ist, mit Stäbchen zu essen, ist nicht entscheidend.

derStandard.at: Sind Geschenke wichtig, um Geschäfte anzubahnen?

Yuan: Geschenke sind für eine positive Atmosphäre unentbehrlich. Damit Beziehungen zu Geschäftspartnern zu pflegen, ist in China normal und sie werden bewusst eingesetzt. Der ideale Zeitpunkt, um Geschenke auszutauschen, ist am Ende des gemeinsamen Essens.

derStandard.at: Was wird da besonders geschätzt?

Yuan: Geschenke sollen einen Nutzwert haben. Chinesen lieben Schokolade. Mozartkugeln haben zum Beispiel einen Wundereffekt. Chinesen mögen auch Rotwein und da kommt derzeit besonders der französische Bordeaux sehr gut an. Messer sind normale keine guten Geschenke, eine Ausnahmen sind hier Schweizer Messer, die sind sehr beliebt. Chinesen mögen klassische Musik, sie lieben Komponisten aus Österreich. Vor allem Mozart.

derStandard.at: Farben sind auch ein Kommunikationsmittel. Was sollte man hier beachten?

Yuan: Wenn Geschenke eingepackt sind, dann sollte die Farbe des Papiers rot oder gold sein. Das bringt den Chinesen Glück. Weiß und schwarz kombiniert gelten als Trauerfarben. Farben haben zwei Welten, nämlich eine private und eine Business-Welt. Bei Farben sollte man nur in der privaten Welt aufpassen.

derStandard.at: Je dicker eine Visitenkarte, desto höher die Hierarchie. Stimmt das?

Yuan: Nein, das spielt keine Rolle. Bei Visitenkarten sollte man darauf achten, seine mit beiden Händen zu überreichen. Das ist höflich. Noch höflicher ist es, die Visitenkarte des Gegenübers mit beiden Händen in Empfang zu nehmen.

derStandard.at: Müssen bei der Verabschiedung Besonderheiten beachtet werden?

Yuan: Österreichische Geschäftsleute haben einen starken Händedruck. Im Gegensatz zu Chinesen, die einen sanften Handruck haben. Darauf sollte man sich einstellen. (derStandard.at, 8.2.2010)