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Eine Frau küsst das auf einem Plakat abgebildete Antlitz von Wahlsieger Janukowitsch.

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Eher nachdenklich präsentierte sich Wahlsieger Wiktor Janukowitsch den Medien. Julia Timoschenko bleibt mehr als ein Schatten in der ukrainischen Politik.

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Feiernde Janukowitsch-Anhänger in Kiew

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Sieger sehen für gewöhnlich anders aus. Als Hanna German, die Wahlkampfleiterin von Wiktor Janukowitsch, am Wahlabend die ersten Hochrechnungen präsentierte, gab es zwar höflichen Beifall, aber keine Begeisterungsstürme. Auch beim kurzen Auftritt des neuen ukrainischen Präsidenten in seiner Wahlkampfzentrale im Kellergeschoß des Hotel Intercontinental knallten keine Sektkorken. Janukowitsch bedankte sich einer kurzen Rede bei den Wählern und versprach, ein Präsident der gesamten Ukraine und nicht nur eines Teils zu sein.

Politologen bezweifeln jedoch, dass es Janukowitsch gelingen wird, den Ost-West-Konflikt in der Ukraine zu überwinden und das Land zu vereinen, da der erhoffte eindeutige Sieg ausgeblieben ist. Janukowitsch erreichte bei einem Auszählungsgrad von rund 99 Prozent einen Stimmenanteil von 48,7 Prozent. Seine Rivalin Julia Timoschenko kam auf 45,7 Prozent. Im Gegensatz zu inoffiziellen Wahlprognosen, die Janukowitsch mit 15 Prozent in Führung sahen, ist der Unterschied zwischen den Kandidaten auf nur 2,79 Prozent geschrumpft.

"Janukowitsch hat bis jetzt noch nicht gewonnen, Timoschenko bis jetzt nicht verloren" , sagte Wolodimir Fesenko, Direktor des Kiewer Politikzentrums Penta, bei einer Pressekonferenz in Kiew. Die amtierende Premierministerin Timoschenko anerkannte das Wahlergebnis zunächst nicht. "Solange nicht alle Stimmzettel ausgezählt sind, ist es unmöglich, von irgendeinem Ergebnis zu sprechen" , sagte die 49-Jährige mit dem markanten Haarkranz. Janukowitsch, Chef der oppositionellen Partei der Regionen, hatte die Regierungschefin noch am Wahlabend zum Rücktritt aufgefordert. Die Partei der Regionen hat aber derzeit im Parlament nicht die erforderliche Mehrheit, um Timoschenko gegen ihren Willen abzulösen. Laut Fesenko sei es nach diesem knappen und für Timoschenko überraschend guten Wahlergebnis schwieriger, sie als Premierministerin abzusetzen.

Zwar haben sich bereits Vertreter von Timoschenkos BjuT für die Oppositionsrolle ausgesprochen, Timoschenko gab sich am Wahlabend aber weiter kämpferisch. Eine für Montagnachmittag angesetzte Pressekonferenz sagte die Premierministerin kurzfristig ab. Für Timoschenko wird es schwierig, dem Gegner Wahlfälschungen vorzuwerfen und die Wahl daher nicht anzuerkennen. Die OSZE-Wahlbeobachter erklärten, der Urnengang sei "transparent" und "ehrlich" verlaufen.

Auf den neuen Präsidenten wartet keine leichte Aufgabe. Zur schwierigen wirtschaftlichen Lage kommt die politische Zerrissenheit. "Die eine Hälfte des Landes steht in Opposition zum Präsidenten" , sagt der ukrainische Politologe Michail Progrebinski. Die Teilung des Landes in einen prorussischen Osten und einen nach Europa strebenden, nationalistischen Westen sei die eigentliche "Tragödie des Landes" , vergleichbar mit der Teilung der Tschechoslowakei.

Wie tief der Graben zwischen der ukrainisch und der russisch sprechenden Bevölkerung ist, zeigt sich auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz von russischen und ukrainischen Politologen. Als der bekannte russische Politologe und TV-Moderator Maxim Schewtschenko meint, es sei unverständlich, dass Kinder in Sewastopol in der Schule Ukrainisch sprechen sollen, kommt es zu heftigen Wortgefechten mit ukrainischen Journalisten.

Laut Schewtschenko ist die Wahl von Janukowitsch eine Chance zur Überwindung des Grabens zwischen West und Ost. Im Gegensatz zu Timoschenko habe Janukowitsch seine Wahlkampagne auf Ukrainisch und Russisch geführt. Die Gefahr, dass die Ukraine unter Präsident Janukowitsch zu sehr Richtung Russland driftet, sieht Progrebinski nicht. Dazu benötige die Ukraine derzeit einfach zu viel Geld vom Westen. (Verena Diethelm aus Kiew, DER STANDARD, Printausgabe 9.2.2010)