Die Empfehlung des Innenaussschusses des Europäischen Parlament an das Plenum, bei der für nächste Woche geplanten Abstimmung gegen das Swift-Abkommen mit Nein zu stimmen, fiel ziemlich deutlich aus. 29 gegen 23 Stimmen bei einer Enthaltung verspricht in der Vollversammlung eine klare Mehrheit gegen den transatlantischen Austausch von Bankdaten. Zumindest so, wie ihn die EU-Innenminister Ende November unter Umgehung der Parlamentarier geplant haben. Denn auch die Mehrheit der Fraktionslosen von ganz rechts und links bis hin zur Hans-Peter-Martin-Gruppe sind eher dagegen.

Aber die Datenschützer sollten sich mit ihrer Vorfreude zurückhalten: Noch wird hart gekämpft und lobbyiert. Bis zum Votum ist es noch eine ganze Woche. Die größte Fraktion der Christdemokraten hat heute eine Verschiebung um einen Tag auf Donnerstag erwirkt, um Zeit zu gewinnen. Und auch die Sozialdemokraten sind keineswegs so geschlossen, wie sie tun: Die USA-treuen roten Briten und Spanier, stets verlässliche Sicherheitspartner, werden wohl für Swift stimmen. Die Nato mischt im Hintergrund mit.

Als ich gestern vormittag bei Abgeordneten im Brüsseler Parlamentsgebäude in dieser Sache recherchierte, trugen sich seltsame Dinge zu: Mandatare erzählten aufgebracht Geschichten von US-Vertretern, die bei den Fraktionen heftig intervenierten, um die weit verbreiteten Bedenken - vor allem aus Datenschutzgründen - in letzter Minute zu zerstreuen, um doch noch eine Mehrheit für das geplante Interimsabkommen zustandezubringen.

Es wird also von beiden Seiten intensiv um das Abstimmungsverhalten gerungen. Auch die Gegner des Bankdatenaustausches sind nicht gerade faul. Und viele Mandatare sind ehrlich unsicher, ob man sich eine Brüskierung der USA bei der Terrorbekämpfung wirklich leisten sollte, weil es dabei ja zweifelsohne auch um die europäische Sicherheit gehe.

Aus meiner Sicht sprechen drei Gründe stark dafür, dass das EU-Parlament das Abkommen, so wie es daliegt, ablehnt: aus inhaltlichen, aus rechtlichen, und aus politisch-strategischen Erwägungen.

Inhaltlich ist vieles unklar in der Vorlage der Innenminister. Das Parlament hat bereits im Herbst einen Rahmen definiert für die Art und Weise, wie mit den Bankdaten der Europäer in den USA umgegangen werden müsste. Daran haben sich die Innenminister offensichtlich aber nicht gehalten. Weder wurde berücksichtigt, dass die Menge der übermittelten Daten von vornherein minimiert werden muss, noch gibt es im Text eine klare Definition über die Zweckbindung und die Verhältnismäßigkeit der angewendeten Maßnahmen der Sicherheitsdienste. Die hätten im Zweifel ziemlich freie Hand, was sie mit den Daten machen, was der amerikanischen Tradition entspricht, nicht aber jener in vielen Ländern Europas.

Eine zweite Schwäche liegt in den Rechtsunsicherheiten. Es ist nicht klar, welchen Rechtsschutz Europäer genießen, wenn ihre Daten missbraucht wurden, an wen sie sich wenden können, wenn sie klagen wollen - die Vergehen lägen ja in den USA, etwa wenn Daten an Dritte weietrgereicht werden. Es ist offenbar auch nicht zwingend vorgesehen, dass ein unabhängiger EU-Rechtsschutzbeauftragter ständig prüft, was mit den Daten überhaupt geschieht, so sie einmal geliefert sind.

Die dritte Erwägung für ein Nein zum Interimsabkommen hat einen eher prinzipiellen, aber umso wichtigeren Hintergrund. Mit dem EU-Vertrag von Lissabon hat das Parlament seit 1. Dezember ein Mitentscheidungsrecht in allen Fragen der inneren Sicherheit, bei Justizfragen, bei Asyl, Migration etc., bekommen. Indem der Innenministerrat der Staaten dieses Abkommen am 30. November in letzter Minute durchgedrückt hat, nur um die Parlamentarier zu unterlaufen, hat er selber einen Misserfolg praktisch vorprogrammiert. Die EU-Abgeordneten müssten masochistisch sein, bei etwas zuzustimmen, woran man sie ausgeschlossen - und getäuscht - hat.

Bis heute verweigert der Rat bestimmte Papiere und Informationen. Das ist in einem Gesetzgebungsverfahren aber unerträglich. Ich hatte Gelegenheit, in einem strengstens vertraulichen Bericht des Richters Jean-Louis Bruguière über die Ergebnisse von Terrorbekämpfungsmaßnahmen (TFTP) der USA seit 9/11 im Jahr 2001 zu lesen, der an das Parlament ging: Es ist unglaublich, wie vage hier über Verfolgungsmaßnahmen berichtet wird, verblüffend, wie wenig den Abgeordneten in der Substanz berichtet wird - immer mit der Versicherung, dass die USA nur die allerhöchsten Standards von Datenschutz und Bürgerrechten garantieren würden.

Wer's glaubt wird selig. Swift wird eine Nagelprobe für das Europäische Parlament. Dieses Datenaustauschabkommen muss in aller Ruhe ausgehandelt werden, nach den Vorgaben von Parlamentariern, die die neue Grundrechtscharta im Auge haben, und nicht von der Exekutive, für die diese Grundrechte offenkundig eher nicht so wichtig ist. Deshalb wäre alles andere als ein Nein in Straßburg überraschend.

Was die Regierungen in Washington und in den EU-Hauptstädten in ihrem Eifer übersehen haben ist der Umstand, dass es für das Parlament um viel mehr geht als nur um Datenaustausch und Terrorbekämpfung. Sie müssen beweisen, dass ihnen die Mitsprache bei der Gesetzgebung zur Inneren Sicherheit ein Kernanliegen ist. Sonst könnten sie auf diesem Gebiet gleich zu Beginn des EU-Vertrages von Lissabon einpacken und sich zur willigen Abstimmungsmaschine für den EU-Ministerrat ausrufen.