Wien - Der Vorschlag von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP), einen religiösen Hintergrund von Verbrechen künftig als Erschwerungsgrund im Strafrecht festzuschreiben, geht Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) nicht weit genug. Sie forderte am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz, dass allgemein Gewalt in der Familie gegen "Schwächere" als Erschwernisgrund gelten soll. Auch über höhere Strafrahmen könne man "selbstverständlich" reden.

Die Motive für Gewalt seien ihr "prinzipiell wurscht", erklärte Heinisch-Hosek. Wichtig sei es, Gewalt in der Familie, von der zu über 90 Prozent Frauen und Kinder betroffen seien, in den Fokus der Diskussion zu stellen. Hier müsse man allgemein "prüfen", ob nicht zu mild bestraft werde. Ein Motiv herauszugreifen, wie es Bandion-Ortner mache, sei "zu wenig", meinte die Frauenministerin

Religion und Tradition nicht vermischen

Stattdessen solle Gewalt in der Familie gegen schwächere Familienmitglieder als Erschwernisgrund festgeschrieben werden, diesbezüglich wolle sie auch Gespräche mit der Justizministerin führen. Danach könne man "selbstverständlich" auch über höhere Strafrahmen sprechen, meinte Heinisch-Hosek.

Von der Vermischung von Religion und Strafrecht hält Heinisch-Hosek wie ihr Kollege SP-Justizsprecher Hannes Jarolim wenig: "Ich glaube, dass man das trennen sollte." Delikte wie Genitalverstümmelung oder Ehrenmorde hätten weniger mit Religion als vielmehr mit Tradition und Machtstrukturen zu tun.

Die Festschreibung von "religiöser Gewalt" als Erschwernisgrund im Strafrecht hält Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien, für "absolut unnötig". Richter hätten bei der individuellen Strafbemessung schon jetzt ausreichend Instrumentarien zur Verfügung, um die individuelle Schuld und Verantwortlichkeit eines Täters zu bewerten. "Areligiös motivierte Gewalt ist nicht weniger verwerflich als religiös motivierte Gewalt", betonte Fuchs im Gespräch mit der APA. Eine Objektivierung wäre nicht möglich, zumal ein religiöses Motiv eventuell auch strafmildernd wirken kann.

Religiöses Motiv könne nicht objektiviert werden

"Bei der Strafbemessung kommt es auf die individuelle Schuld des Täters an. Außerdem kann das religiöse Motiv in zwei Richtungen gehen", so Fuchs. Zum einen könnte etwa besondere Grausamkeit oder Menschenverachtung zu einer höheren Strafe führen. Zum anderen könnte ein Fall von religiösem Wahn etwa als herabgesetzte Zurechnungsfähigkeit gewertet und somit milder bestraft werden.

"Eine neue Gesetzesklausel ist absolut unnötig. Richter haben genügend Möglichkeiten, religiöse Motive bei der Strafbemessung je nach Gegebenheit mildernd oder erschwerend zu beurteilen. Das soll so bleiben", forderte Fuchs. Das religiöse Motiv zu einem objektiven Gesichtspunkt zu machen, ohne dabei die individuelle Schuld zu berücksichtigen, wäre "sachwidrig". Abgesehen davon, dass er keinen Bedarf für den von Bandion-Ortner vorgeschlagenen Erschwernisgrund sieht, sei die Einbringung der Religion in das Strafrecht generell "mit Vorsicht zu genießen".

Die Katholische Kirche zeigte sich ebenso skeptisch. "Ich glaube das ist der Import einer Diskussion aus anderen Ländern", meinte Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien. Wenn es um Ehrenmorde oder "dubiose Volksbräuche" geht, habe dies nichts mit Religion zu tun. "Einfach 'Religion' zu sagen, scheint mir voreilig zu sein", so Leitenberger. (APA)