Kann man Gewissen prüfen? Sicher. Das eigene. Das Gewissen anderer zu prüfen ist aber ziemlich schwierig - so schwierig, dass der Gesetzgeber seit 19 Jahren darauf verzichtet: Wer glaubt, es beim Militär nicht aushalten zu können, weil ihn das Gewissen allzu sehr drückt, muss das glaubwürdig begründen. Nachgeprüft wird nicht.

Lässt man aber diese bescheidene Gewissensfrage überhaupt weg, purzelt das gesamte System zusammen: Dann wird der Zivildienst zum Alternativdienst - was rechtlich und moralisch bedenklich wäre. Denn die Verfassung sieht vor, dass die militärische Landesverteidigung auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht milizartig zu organisieren sei. Und ein frei wählbarer Alternativdienst widerspricht eben dem Gedanken der Wehrpflicht. Nun könnte man die Verfassung ändern und die Wehrpflicht streichen.

Das Bundesheer würde so zu einem Freiwilligenheer - wenn man es nicht gleich ganz abschafft. Beides aber würde dem Zivildienst jegliche moralische und menschenrechtliche Basis entziehen. Im Artikel 4 (2) der Europäischen Menschenrechtskonvention steht nämlich ausdrücklich das Robot-Verbot: "Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten." Eine Ausnahme gibt es nur für militärische Dienstleistungen und den Zivildienst aus Gewissensgründen. Wer die Gewissensfrage abschafft, schafft also den Zivildienst ab. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2009)