Regierung will jüdische Friedhöfe retten und nimmt dabei die Gemeinden mit in die Pflicht. Die Bürgermeister der betroffenen Orte fühlen sich uninformiert und klagen über zu enge Gemeindebudgets
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Wien - Am Freitag, soll im Nationalrat die Einigung über die Sanierung der jüdischen Friedhöfe abgesegnet werden. Der Kernpunkt des Regierungsvorhabens: Ein eigens eingerichteter Fonds wird vom Bund mit 20 Millionen Euro für 20 Jahre gespeist, weitere 20 Millionen sollen von den Kultusgemeinden organisiert werden. Niederösterreich und Wien beteiligen sich ebenso. Der Haken: Auszahlungen erfolgen nur dann, wenn "sich die Standortgemeinde zur weiteren Instandhaltung des jeweiligen Friedhofes auf die Dauer von mindestens 20 Jahren verpflichtet" , heißt es in dem Antrag.
Gemeinden fühlen sich uninformiert
Dass die Gemeinden nach Regierungsansicht dann für die Erhaltung (auch finanziell) verantwortlich sein sollen, ist den Bürgermeistern der betroffenen Ortschaften allerdings völlig neu - sie fühlen sich uninformiert und sehen wenig finanziellen Spielraum für die Pflege der Friedhöfe, wie eine Standard-Rückfrage bei fünf Bürgermeistern zeigt:
Groß-Enzersdorf
"Das habe ich nicht gewusst. Aber alles kann man auch nicht wissen." So kommentiert Bürgermeister Hubert Tomsic (SPÖ) dasRegierungsvorhaben. Dass der jüdische Friedhof in seiner Gemeinde als "Kulturgut" erhalten bleiben muss, steht für ihn außer Frage. Aber: "Ich kenne die Kosten ja nicht. Wie da der Gemeinderat dann entscheidet, wird man erst dann sehen."
Horn
ÖVP-Bürgermeister Alexander Klik glaubt, sich an ein Schreiben erinnern zu können. Auch er weiß nicht, wie der Gemeinderat entscheiden wird. Die Gemeinden würden auch so"immer mehr belastet". Klik: "Normale Instandhaltungsarbeiten wie Rasenmähen geht. Aber, dass wir Renovierungen auch zahlen, ist schwer vorstellbar."
Gattendorf
Der Bürgermeister dieser kleinen burgenländischen Gemeinde, Franz Vihanek, hofft wiederum, dass "man der Gemeinde finanziell hilft". Er könne bei gleich bleibenden Mitteln nicht noch weitere Projekte mitfinanzieren, denn: "Die Mittel die zurzeit da sind, sind verplant." Vihanek erzählt, er sei zwar seitens des Landes informiert worden, "aber über Details oder die Finanzierung wurde da nicht gesprochen" . Klar ist für den ÖVP-Politiker aber auch: "Im Prinzip besteht die Verpflichtung zur Erhaltung."
Kirchberg am Wagram
Eher ablehnend reagiert Johann Benedikt. "Ich fühle mich nicht ganz zuständig" , sagt der ÖVP-Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde. Benedikt wäre bereit, "notdürftige Maßnahmen zu übernehmen" : "Wir werden halt ein Mindestmaß machen."
Deutsch-Wagram
"Die Information ist mangelhaft" , ärgert sich Bürgermeister Friedrich Quirgst (ÖVP). Es sei sehr schwierig, in der "momentanen wirtschaftlichen Situation große Mehrausgaben zu leisten" . Quirgst will einmal abwarten: "Es kommt darauf an, wie der Friedhof hergerichtet wird und welche Pflegemaßnahmen dann zu leisten sind."
Österreichische Gemeinden: Mit uns hat niemand gesprochen
So irritiert die Bürgermeister sind, so verärgert ist man auch im Gemeindebund, der Interessenvertretung der österreichischen Gemeinden. "Mit uns hat niemand gesprochen, niemand verhandelt" , hält Präsident Helmut Mödlhammer fest. Er habe sich aber erwartet, dass man mit den betroffenen Gemeinden Gespräche geführt hätte. "Was mich ärgert, ist das Prinzip: Wir beschließen etwas, ihr zahlt. Das ist eine Art Politik, die ich nicht mittrage."
Wenige jüdische Friedhöfe "ausgezeichnet" gepflegt
In Österreich gibt es insgesamt 63 jüdische Friedhöfe. Die Israelitische Kultusgemeinde hat in einer Erhebung des Zustandes nur die wenigsten als "ausgezeichnet" gepflegt betrachtet. Darauf wird auch im Entschließungsantrag der Regierung eingegangen. Der Befund ist eindeutig: Ein Großteil befinde sich "in sehr schlechtem Zustand" .
Österreich hat sich zum Erhalt der Grabstätten verpflichtet
Die Israelitische Kultusgemeinde hat die nun anstehende Einigung jedenfalls schon im Vorfeld begrüßt: Fast neun Jahre nach Unterschrift des Washingtoner Abkommens, in dem sich Österreich zum Erhalt der Grabstätten verpflichtet, "wird damit das letzte völkerrechtlich noch offene Thema abgearbeitet" , freute man sich Ende Dezember. (Peter Mayr, DER STANDARD Printausgabe 29.1.2009)