Zwei Läufer aus Kenia, die an der Studie teilnahmen: Der Schwerpunkt lag bei Schuhträgern hinten.

Foto: Benton et al.

London - Laufschuhe sind seit dem Ende der 1970er-Jahre populär. Aus gutem Grund, heißt es, denn schließlich leiden Läufer, egal ob Sportprofis oder Wochenend-Jogger, notorisch oft unter Blessuren. Schuld sei die chronische Überlastung der Knochen der Läufer, meinen viele Mediziner. Und dagegen helfen gute Laufschuhe mit gepolsterten Sohlen und Spezialabsätzen zum Auffangen der Stoßenergie, die beim Auftritt freigesetzt wird. Sagt man.

Aber wie haben unsere Vorfahren das Problem gelöst? Die Urmenschen waren begnadete Dauerläufer, und diese Fähigkeit könnte bei der Evolution sogar eine wichtige Rolle gespielt haben. Möglicherweise diente das Langstreckenlaufen unserer savannenbewohnenden Urahnen dazu, tote Tiere schneller zu erreichen als die vierbeinige Konkurrenz, und sicherte ihnen so eine protein- und fettreiche Ernährung (vgl. "Nature", Bd. 432, S. 345). In Ermangelung von Laufschuhen hätte die natürliche Selektion allerdings schon damals jede Form von Knochenschwäche gnadenlos auslesen müssen. Warum also ist das Gebein heutiger Läufer so schadensanfällig?

Der Humanbiologe Daniel Lieberman von der Harvard University ist dieser Frage nachgegangen und hat dabei eine erstaunliche Entdeckung gemacht. Er und ein internationales Forscherteam verglichen Laufstil und Energetik von insgesamt 73 erwachsenen und jugendlichen Läufern aus Kenia und den USA miteinander. Ein Teil der Testpersonen lief gewohnheitsmäßig barfuß, der Rest trug Laufschuhe.

Von den Ersteren hatten sich die US-Amerikaner bewusst das Barfußlaufen angewöhnt, die kenianischen Jugendlichen aus dem bitterarmen Distrikt South Nandi dagegen hatten niemals in ihrem Leben Schuhe besessen. Den Barfüßigen standen Schuhträger sowohl aus den USA wie auch aus Kenia gegenüber, wobei unter Letzteren wiederum einige Sportler waren, die erst seit ein paar Jahren mit Laufschuhen an den Füßen trainierten.

Lieberman und Kollegen machten Videoaufnahmen von ihren Testläufern in Aktion und werteten dieses Material anschließend akribisch aus. Die US-Amerikaner ließen sie zudem über eine speziell konstruierte Messplatte laufen. So wurden deren Auftrittskräfte aufgezeichnet. Die in der aktuellen "Nature"-Ausgabe (Bd. 463, S. 531) publizierten Ergebnisse zeigen: Wer geübt barfuß läuft, tritt meistens mit dem Vorderfuß zuerst auf, und nicht mit der Ferse, so wie dies Schuhläufer allgemein tun.

Laut der Kräftemessungen dürfte der Vorderauftritt auch auf hartem Untergrund eine einfache, aber wirkungsvolle Entlastungsstrategie sein. Beim Fersenauftritt ist die schockartige vertikale Stoßkraft etwa dreimal so hoch, ergo: mehr Belastung für die Knochen. Dagegen richtet auch eine dicke Schuhsohle offenbar nicht viel aus. Beim Vorderauftritt scheint zumindest ein wichtiger Teil der Kräfte durch Drehbewegungen im Fußgelenk absorbiert zu werden.

Schuhtragen, glaubt Daniel Lieberman, verführt Menschen dazu, ihre natürliche, vorne auftretende Laufweise aufzugeben. "In Schuhen ist der Fersenauftritt einfach und bequem", erklärt der Forscher gegenüber dem STANDARD . Füßen und Knochen bekommt das aber nicht unbedingt. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 28. 1. 2010)