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SVP-Vizepräsident Christoph Blocher bei der Albisgüetli-Tagung in Zürich

Foto: Reuters/ Romina Amato

Zürich - Nach dem Überraschungserfolg des Minarettverbots nimmt die national-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP) neue Ausländergruppen ins Visier. Nach den Muslimen sind jetzt die deutschen Zuwanderer Zielscheibe ihrer fremdenfeindlichen Attacken. Für großen Wirbel sorgt auch das Ansinnen der USA, zwei ehemalige Guantanamo-Häftlinge in der Schweiz aufzunehmen.

In der zweiten Hälfte der laufenden Legislaturperiode, die Ende 2011 zu Ende geht, will die SVP das Ausländerthema in den Vordergrund ihres Wahlkampfes stellen. "Nein zur unkontrollierten Zuwanderung und gegen einen schleichenden EU-Beitritt" lauten die Parolen. Die Wirtschaftskrise, die auch an der Schweiz nicht spurlos vorbeigegangen ist, kommt den Rechtspopulisten dabei zur Hilfe. Viele Menschen zittern um ihren Arbeitsplatz.

"Deutscher Filz"

Die Zürcher SVP löste vor einigen Wochen eine Dauer-Polemik mit einem aggressiven Inserat aus, in dem sie den Universitätsprofessoren und Ärzten aus dem nördlichen Nachbarland vorwarf, den "deutschen Filz" in die Schweiz zu exportieren. Die Professoren schanzten Kollegen aus Deutschland zum Nachteil der Schweizer Posten an der Uni Zürich zu, lautet der Vorwurf. Rund 200 Mitglieder des Lehrkörpers setzten sich unverzüglich zur Wehr und hielten der Partei öffentlich "fremdenfeindliche und rassistische Rhetorik, Ideologie und Politik" vor, mit der die "Ausbildung der Jugend torpediert" und das gesellschaftliche Klima vergiftet werde.

Auf diese etwas überrissenen Formulierungen konterte die SVP mit beißendem Spott: "Wir Gewöhnlichen wussten gar nicht, dass die Deutschen eine Rasse sind." Aber es seien ja schon "damals" (vor dem Zweiten Weltkrieg, Anm.) die "hohen Professoren" gewesen, "die den Rassen-Aberglauben in die Welt gesetzt haben." Mit viel Gespür für die derzeitige schlechte Stimmung im Land hat die Partei damit wieder eine heiße Kartoffel angepackt und die in der Schweiz unterschwellig stets präsente Angst vor Überfremdung erneut thematisiert.

Konkurrenz am Arbeitsplatz

Die Deutschen werden als Konkurrenz am Arbeitsplatz gesehen, obwohl sie in Wirklichkeit gerufen wurden, weil der schweizerische wissenschaftliche und medizinische Nachwuchs nicht ausreicht. Vorgehalten wird ihnen überdies, die ohnehin schon teueren Mieten in den großen Städten noch weiter nach oben zu treiben.

Tatsache ist, dass sowohl an der renommierten ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) wie auch der Universität Zürich ausländisches Lehrpersonal etwa ein Drittel ausmacht. Prominent sind die Deutschen vor allem an der philosophischen Fakultät vertreten, wo sie rund 50 Prozent des Lehrkörpers stellen. Auch in den Spitälern in Zürich, Bern oder St. Gallen macht das aus dem nördlichen Nachbarland stammende Gesundheitspersonal rund ein Drittel aus.

Allerdings ging die Zuwanderung aus Deutschland ebenso wie aus anderen Nachbarstaaten 2009 im Zuge der Wirtschaftskrise zurück. Auch die schweizerischen Sozialwerke werden weniger durch arbeitslos gewordene hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus diesem Raum belastet, als vielmehr von Arbeitskräften aus Ex-Jugoslawien.

SVP will keine Guantanamo-Häftlinge

Sturm laufen SVP-Vertreter auch gegen Pläne der Berner Bundesregierung, zwei Uiguren aus Guantanamo aufzunehmen. China hat der Schweiz bereits mit handelspolitischen Sanktionen gedroht, sollte den beiden Brüdern aus dem rebellischen Nordwesten des Riesenreiches in der Schweiz eine neue Heimat geboten werden. Auf der Kippe könnte das angestrebte Freihandelsabkommen mit China stehen, befürchten die bürgerlichen Parteien.

Für Peking sind die beiden Uiguren schlicht "Terroristen", die vor ein chinesisches Gericht gestellt werden müssten. Für die Amerikaner gelten sie hingegen als unschuldig. Die beiden Uiguren waren zwar in Afghanistan gefangen genommen worden, nachweisen konnte man ihnen aber keine Verbindungen zur Al-Kaida. Bei der SVP wird die Ansicht vertreten, dass die USA die Suppe, die sie sich mit Guantanamo eingebrockt haben, selber auslöffeln müssten.

Die Befürworter erinnern dagegen an die langjährige humanitäre Tradition der Eidgenossenschaft. Auch will man es sich mit den USA wegen des noch immer schwelenden Streits um die Herausgabe der Daten von mehr als 4.000 US-amerikanischen UBS-Kunden, denen Steuerbetrug, bezw. Steuerhinterziehung angelastet wird, nicht noch mehr verderben.

Fremdenfeindliche Reflexe haben in der Schweiz eine lange Tradition. Hatte das Land in Zeiten der Hochkonjunktur in den 50er und 60er Jahren zahlreiche Italiener geholt, so griffen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre Überfremdungsängste um sich. Die sogenannten Schwarzenbach-Initiativen für einen Einwanderungsstopp scheiterten damals nur knapp. 1992 war es vor allem die geharnischte Anti-EU-Kampagne der SVP, die den EWR-Beitritt der Schweiz verhinderte.

Auch in diesem Fall wurde vor allem das Schreckgespenst einer unkontrollierbaren Zuwanderung heraufbeschworen. Das Thema kam allerdings mit den bilateralen Verträgen durch die Hintertüre zurück. Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU verpflichtet die Eidgenossenschaft, die Grenzen für EU-Bürger zu öffnen. Mit rund 20 Prozent hat die Schweiz einen der höchsten Ausländerprozentsätze in Europa. Die Zuwanderung dürfte damit ein Dauerbrenner bleiben. (APA)