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Wohin mit dem nuklearen Müll in Spanien?

Foto: AP Photo/Joerg Sarbach

Spaniens Regierung sucht einen Standort für ein atomares Endlager. Dutzende von Gemeinden interessieren sich für die 700 Millionen teure Hochsicherheitslagerhalle. Drei Gemeinden streiten sich bereits in aller Öffentlichkeit um den Zuschlag. Es herrscht Wirtschaftskrise auf der iberischen Halbinsel. Ein "nuklearer Friedhof" verspricht sechs Millionen Euro für die Gemeindekasse pro Jahr und vor allem Arbeitsplätze. Bei 20 Prozent Arbeitslosigkeit ist jeder Job interessant. Die Behörden haben bereits angekündigt, dass diejenigen Gemeinden den Vorzug haben sollen, die bereits ein AKW beherbergen. Die sieben spanischen Reaktoren sollen am Ende einer 40-jährigen Laufzeit vom Netz gehen.

Doch die Bürgermeister haben die Rechnung ohne die Anwohner gemacht. In Ascó in Katalonien nahmen am Sonntag 3000 Menschen an einer Demonstration gegen das Endlager teil. Der Ort 170 Kilometer westlich von Barcelona lebt seit 1986 mit zwei AKWs und verfügt über einen guten Bahnanschluss. Bürgermeister Rafael Vidal von der gemäßigt nationalistischen Convergència i Unió (CiU) hat den gesamten Gemeinderat hinter sich.

Dennoch hat er mit dem Beschluss, das Endlager ansiedeln zu wollen, ein politisches Problem. Seine Partei, die sich bisher nie gegen die Atomenergie ausgesprochen hat, fürchtet um Stimmen bei den Wahlen zum katalanischen Autonomieparlament kommenden Herbst. CiU droht deshalb Bürgermeister Vidal und seiner Gemeinderatsfraktion mit einem Parteiausschlussverfahren, falls sie ihre Pläne weiterverfolgen sollten. Atommüll - und dann auch noch aus dem restlichen Spanien kommend, ist keine gute Wahlpropaganda für eine nationalistische Formation. "Katalonien hat genug zur Atomenergie beigetragen", heißt es seitens des CiU-Vorstandes.

In Yerba, in Castilla- La Mancha, sieht es nicht viel anders aus. Das Dorf liegt nur zwölf Kilometer vom seit 2006 stillgelegten AKW Zorita entfernt. Die Gemeinderatsmehrheit des Partido Popular (PP) stimmte für das Endlager. Doch in der Zentrale der konservativen Opposition in Madrid sorgt dies für Verstimmung. Die PP liegt dank der Wirtschaftskrise seit Monaten in den Umfragen vor den regierenden Sozialisten des PSOE von José Luis Rodríguez Zapatero. Keiner will dies durch ein unbeliebtes Endlager aufs Spiel setzen. Während Parteichef Mariano Rajoy sich um klare Aussagen zum Thema drückt, droht die PP-Generalsekretärin Dolores de Cospedal ihrem Bürgermeister ebenfalls mit einem Disziplinarverfahren.

Angst vor Stimmenverlusten

Doch auch die in Madrid regierenden Sozialisten Zapateros haben ihre liebe Not mit den beiden Bewerbungen. Sowohl in Katalonien als auch in Castilla-La Mancha regiert der PSOE. Nicht nur die Landesväter befürchten Stimmenverluste durch ein Endlager, auch Zapatero weiß, dass ihm die beiden Regionen zum Sieg verholfen haben. Zapatero scheint deshalb auf der Suche nach einer kleinen Gemeinde mit Bürgermeister aus der eigenen Partei zu sein, damit ihm dieser keine gröberen Probleme machen kann.

Campo de San Pedro in Castilla-León erfüllt diese Kriterien. Am Dienstag ruft der Bürgermeister des Ortes 130 Kilometer nördlich von Madrid die 380 wahlberechtigten Einwohner zu einer Abstimmung über das Endlager. Begeisterung löst das nicht aus: Am Samstag demonstrierten rund 100 Menschen gegen die Lagerstätte. (Reiner Wandler aus Madrid/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2010)